Kleider machen Bräute
der immer noch leichenblass war und schwieg. Sein Blick wanderte gehetzt von einer Seite zur anderen, als plane er seine Flucht.
»Ich meine es ernst.«
»Sie nehmen mich auf den Arm«, rief Molly. »Wir haben doch nachgesehen. Uns bleibt noch eine halbe Stunde!«
Simon schüttelte den Kopf. »Wir waren Idioten. Sehen Sie doch.« Er zeigte auf die Anzeigentafel. »Wir haben auf die Ankunftszeiten geguckt, nicht auf die Abfahrtzeiten. Der Zug aus Venedig kommt in einer halben Stunde hier an. Der Zug nach Venedig ist vor zehn Minuten gefahren. Und der nächste geht erst morgen.«
»Das ist meine Schuld«, stöhnte Molly. »Ich habe die Zeiten überprüft. Jungs, es tut mir so leid.«
»Wir hätten alle schauen sollen«, widersprach Simon leise. »Aber ich habe keine Ahnung, was wir jetzt tun sollen.«
Pascal schwieg immer noch. Er war damit beschäftigt, die nächste SMS zu verschicken. Molly konnte nur noch ihre Tasche zu Boden fallen lassen und mit aller Kraft gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfen.
13. Kapitel
Stunden bis zur Hochzeit: 25
Kilometer bis zur Hochzeit: 393
I rgendjemand will nicht, dass ich es jemals zu dieser Hochzeit schaffe.«
Pascal war in dem kleinen Laden neben dem Bahnhof verschwunden. Molly und Simon standen ratlos neben dem Eingang, und Molly ging ihre Möglichkeiten durch, zu denen auch gehörte, sich einfach vor den nächsten Zug zu werfen. Doch Simon ging nicht darauf ein. Er war damit beschäftigt, eine SMS zu versenden – wahrscheinlich an Yvonne. Molly fragte sich, was er wohl schrieb. »Sitze irgendwo in der Walachei mit Damenschneider und verrückter Frau fest, sehe Dich vielleicht nie wieder …«
»Simon?«
Er sah nicht auf. »Hm?«
»Jetzt ist vermutlich ein guter Zeitpunkt, mich bei Ihnen zu entschuldigen.
»Vergessen Sie’s«, sagte er, sah sie aber immer noch nicht an.
»Wenn Sie nicht so … na ja, nett gewesen wären, dann säßen Sie jetzt im Zug nach Venedig. Pascal und ich hätten allein zurückfahren können, um das Kleid zu holen.«
Er seufzte und erwiderte endlich ihren Blick. »Ja, vielleicht. Ich gebe zu, es ist ärgerlich. Aber was wäre ich für ein Mensch, wenn ich Sie in dieser Paniksituation alleine gelassen hätte?«
»Pascal war doch da«, sagte Molly seufzend und bedauerte es sofort, weil Simon den Blick senkte und sich wieder mit seinem Handy beschäftigte. »Ich meine, na ja, was ich sagen will, ist … Sie sind …«
Sie verstummte. Ja, was war er eigentlich? Er war liebenswürdig. Fürsorglich. Und zweifellos genervt von dieser verrückten Situation, aber darum bemüht, es nicht zu zeigen. Er war einfach großartig .
»Was soll’s«, bemerkte Simon nach einer ganzen Weile und ersparte Molly so, den Satz zu beenden.
»Also …« Molly suchte verzweifelt nach etwas, was sie noch sagen könnte. »Wir haben festgestellt, dass die einzige Autovermietung im Ort heute geschlossen hat, richtig?«
»Korrekt.«
»Und es fährt auch kein Bus.«
»Keiner, der uns vor Weihnachten bis nach Venedig bringt.«
»Stimmt.«
Molly schaute sich um.
In dem Städtchen war es gespenstisch still. Nur wenige Autos kamen an ihnen vorbei, ein Bus und ein Mann mit Hund. Dann tauchte wie aus dem Nichts urplötzlich ein riesiger Trupp Radfahrer auf und sauste in grellen Ela stantrikots und mit schrillen Panoramasonnenbrillen an ihnen vorbei. Die Reifen summten und Molly spürte den starken Luftstrom. Es war eine verwirrend schöne Szenerie, wie man sie nur auf dem Kontinent erlebte, aber Molly war zu erschöpft, um sie genießen zu können.
»Dann läuft es wohl auf die teuerste Taxifahrt der Geschichte hinaus«, meinte sie.
»Ich sehe aber kein Taxi«, wandte Simon ein.
»Na prima.«
Pascal trat wieder aus dem Laden. Sein Gesicht war hinter einer riesigen Italienkarte verschwunden, die er offenbar gerade erstanden hatte. Wortlos gesellte er sich zu den beiden. Konzentriert und mit zwischen den Lippen hervorblitzender Zungenspitze fuhr er auf der Karte Straßen nach.
»Es ist zu weit zum Laufen«, bemerkte Simon trocken.
Pascal nickte, sagte jedoch nichts.
»Zumindest würden wir uns so vorwärtsbewegen«, meinte Molly.
In Ermangelung einer besseren Idee begannen sie, Richtung Stadtzentrum zu gehen. Ein eisiger Wind war aufgekommen, und Molly fröstelte. Sie sah zu Simon in seinem kuschelig warmen Pullover hinüber und musste lächeln.
Also gut. Mode – Null Punkte. Hässliche Strickware – ein Punkt.
Sie wechselten sich mit dem Schleppen der
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