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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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Delia wurde.
Die vor ihrer Ehe keinen einzigen Tag allein verbracht hatte; und was dabei
herauskam, war schließlich allgemein bekannt.
    Das hatte er sich im Laufe
dieses Jahres ausgetüftelt. Seine höchstpersönliche Theorie.
    »Aber wenn sie allein lebt«,
sagte Delia, »ist sie so... schutzlos. Und sie und Driscoll machen
vielleicht... ich meine, was, wenn sie doch zusammen, hmm, schlafen?«
    »Glaubst du nicht, sie schlafen
schon zusammen, Delia?«
    Erstaunt öffnete sie den Mund.
    Die Geisterstimme sagte
blechern: »Bitte werfen Sie mehr Münzen...«
    »Bleib dran, ich besorge ein
R-Gespräch«, erklärte Sam.
    Sie widersprach nicht. Sie
versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Gut, sie schliefen bestimmt zusammen. Das
wußte sie eigentlich. Trotzdem, es kam ihr wie ein Verlust vor. Vor ihrem
inneren Auge verschwanden Susie und Driscoll auf Nimmerwiedersehen in der
Ferne, und sie stand winkend da.
    »Du weißt doch, daß sie keine
Arbeit hat«, sagte Sam, nachdem er mit dem Operator verhandelt hatte.
    »Daran habe ich auch schon
gedacht.«
    Verblüffend, wie leicht es war,
den alten Ton aufzugreifen, beinah ein Schwätzchen, der übliche
Alltagsaustausch. Die Selbstverständlichkeit erschien ihr unwirklich.
    »Sie schläft endlos«, sagte er,
»und dann verschwindet sie im Schwimmbad. Keine Einstellungsgespräche, keine
Berufspläne...«
    Aber wenn sie heiratet, dachte
Delia. Auch das verkniff sie sich. Sie fragte: »Was ist mit Driscoll? Arbeitet
er?«
    »Ja, er ist bei seinem Vater
angestellt.«
    Delia überlegte, was Driscolls
Vater tat, aber sie kam nicht drauf. Irgendein Geschäft. Sie sagte: »Hast du
mit Susie denn darüber gesprochen? Überlegt, welche Arbeit ihr Spaß machen
könnte?«
    »Nein«, sagte Sam.
    »Und wo kann sie dann wohnen?
Ich meine, wenn sie kein Geld verdient.«
    »Das haben wir nicht
besprochen«, sagte Sam.
    »Mensch, Sam, herrje, was habt
ihr denn dann besprochen?«
    »Nichts«, sagte Sam. Er
hüstelte. »Wir reden zur Zeit nicht miteinander.«
    Delia seufzte. Sie sagte: »Und
Eliza? Susie redet sicher mit ihr.«
    »Nicht unbedingt«, sagte Sam.
    »Was meinst du?«
    »Ich glaube nicht, daß sie
miteinander reden, ehrlich gesagt.«
    »Haben sie sich gestritten?«
    »Ich bin mir nicht sicher.
Eliza ist augenblicklich verreist.«
    »Verreist!«
    »Sie besucht eine Zeit Linda.«
    Delia schluckte. Schließlich
sagte sie: »Fahrt ihr dieses Jahr nicht alle an die See?«
    »Nein, Delia«, antwortete Sam,
und seine Stimme hatte wieder diesen eisigen Klang. Delia verstand genau, was
er damit sagen wollte: Glaubst du wirklich, daß wir nochmal an die Küste
fahren? Das hast du uns ein für allemal verdorben.
    Hastig sagte sie: »Also hat
sich niemand Susie vorgeknöpft und ihre Pläne mit ihr durchgesprochen.«
    »Ich habe keine Ahnung, wie ich
etwas mit jemandem besprechen soll, der auf der Stelle das Zimmer verläßt, wenn
ich es betrete«, sagte Sam.
    Indem du diesem Jemand
nachgehst, hätte Delia beinah gesagt. Du gehst einfach hinterher. Was ist daran
so schwer? Aber sie wußte, das war für Sam undenkbar. Er war kein Mann, der
einen Korb riskierte. Er bat nicht, er handelte nicht, er nahm nichts zurück;
er hatte noch nie im Leben einen Fehler gemacht. (Und war das der Grund, warum
die Leute um ihn herum so viele zu machen schienen?)
    Ein Lieferwagen rauschte
vorüber, und sie hielt ihr freies Ohr zu. »Gut«, sagte sie, »ich mache einen
Vorschlag. Ich schreibe ihr, wenn sie möchte, daß du ihre Hochzeit bezahlst,
muß sie deine Bedingungen akzeptieren. Und wenn ihr diese Bedingungen nicht
gefallen, kann sie ihre Hochzeit selbst bezahlen. Egal wie sie sich entscheidet,
du akzeptierst das.«
    »Ich?«
    »Du!«
    »Aber dann heiratet sie ihn
vielleicht morgen.«
    »Und wenn schon«, sagte Delia.
»Das ist ihre Sache.«
    Sam schwieg. Delias Knöchel
puckerte, dennoch drängte sie ihn nicht. Schließlich sagte er: »Was ist mit dem
Nicht-Reden?«
    »Was soll sein?«
    »Könntest du ihr sagen, daß sie
alles noch einmal mit mir besprechen soll?«
    »Ich könnte es vorschlagen«,
sagte sie.
    »Danke.«
    Sie fühlte sich in dieser neuen
Rolle unwohl. Sie sagte: »So! Ist sonst alles in Ordnung?«
    »Oh, ja.«
    »Geht’s den Jungen gut?«
    »Prima.«
    »Wer kümmert sich um die
Büroarbeit in der Praxis, während Eliza weg ist?«
    »Ich.«
    »Vielleicht wäre das eine
Arbeit für Susie.«
    »Niemals«, sagte er prompt.
    Noch ein Stich ins Herz.
Niemals, meinte er, ließe er zu, daß seine Tochter

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