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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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Partyservice. Sie
fand sich verrückt und unternehmungslustig.
    »Hier sitz’ ich bei meiner
Mutter anstatt bei meinem Mann, hat sie sich gesagt; da hat sie ihren Koffer
gepackt und ist zu ihm zurückgekehrt, und er konnte leider erst mittags
Bescheid sagen, weil — er konnte ja schlecht gleich sagen: entschuldige, ich muß
mal wen anrufen, wo sie gerade wieder da war?«
    »Es gibt kein Gebiet, auf dem
mein Donald nicht Experte ist«, erklärte seine Frau und lachte, daß es klirrte.
    Sie saß angespannt auf ihrem
Stuhl, ihr Rücken berührte die Lehne nicht. Ihr langes Haar ringelte sich
schwungvoll nach außen, wie Geigenklanglöcher.
    »Ja, da hast du recht«, stimmte
Donald ungerührt zu. »Ich kann mich in manche Dinge geradezu hineinversetzen.
Verstehst du, zuerst mußte sie alle ihre Sachen auspacken. Vergiß nicht, sie
hatte das Baby dabei, und eine Wickeltasche und einen Kindersitz — «
    »Aber er hätte sie doch
rauswerfen können!« explodierte Belle. »Er liebt sie nicht mal! Das hat er mir
selbst gesagt!«
    »Klar behauptet er das«, sagte
Donald und lehnte sich breit zurück.
    Vanessa tranchierte inzwischen
den Puter. Delia reichte die Beilagen herum. Der Rosenkohl war lauwarm, stellte
sie fest. Die Süßkartoffeln waren eiskalt, aber alle nahmen davon.
    »Du hast recht«, sagte Belle.
»Oh, wann lerne ich endlich dazu? Das passiert mir alle zwei Wochen. Norton
Grove war der einzige, der sich wenigstens für mich scheiden ließ, und was ist
dabei rausgekommen?«
    »Was ist dabei rausgekommen?«
fragte Delia.
    »Er hat sich in die flotte
Klempnerin verliebt, die unser verstopftes Waschbecken reparieren sollte.«
    Donald nickte; auch das hätte
er Voraussagen können.
    »Genau wie Ann Landers im
Kummerkasten in der Zeitung immer sagt«, bestätigte Belle. »Die meint, ein
Mann, der seine Frau verläßt, verläßt dich über kurz oder lang auch.«
    »Vielleicht solltest du dir einen
suchen, der keine Frau hat«, schlug Vanessa vor und reichte ihr ein
Puterbein.
    »Du hast recht, aber irgendwie
fehlt mir dazu die Phantasie. Ich meine, ich kann mir einen Mann erst
verheiratet vorstellen, wenn ich ihn verheiratet erlebe. Dann macht’s bei mir
klick, und ich denke: Das war’ kein schlechter Mann für mich!«
    Die Zimmertür öffnete sich, und
Mr. Lamb stand auf der Schwelle; er hatte einen speckig schwarzen Anzug an, in
dem seine Haut aschfahl wirkte. »Oh, Sie haben Gäste«, sagte er.
    »Ja, Mr. Lamb, und Sie sind
einer davon«, sagte Belle. »Donald Hawser, Melinda Hawser... Vanessa und
Greggie haben Sie garantiert schon mal gesehen. Horace Lamb«, stellte sie ihn
den Anwesenden vor. Sie deutete lässig auf den leeren Platz. »Setzen Sie sich.«
    »Also, ich kann nicht lange
bleiben.«
    »Setzen Sie sich, Mr. Lamb.«
    Als er eintrat, raschelte es,
und Delia blickte suchend zu Boden. Er trug Papierschlappen an den Füßen, wie
sie sonst im Krankenhaus üblich waren. »Heute nachmittag gibt’s nur Sport,
Sport und nochmal Sport«, erklärte er und ließ sich auf den Stuhl fallen. »Alle
normalen Programme sind gestrichen. Bleibt nur noch das Dritte.«
    »Heraus damit!« rief Donald.
»Wofür schwärmen Sie?«
    »Wie bitte? In der Woche sehe
ich nachmittags die Familienserien. Oh, ich geb’s ja zu. Ich gestehe, ich mache
jeden Nachmittag, den Gott geschaffen hat, Pause und sehe Mutter ist die
Beste.«
    »Was arbeiten Sie, Horace? Ich
darf Sie doch Horace nennen?«
    »Ich verkaufe Sturmfenster«,
erklärte Mr. Lamb. Er nahm die Aluform mit den Süßkartoffeln und warf einen
Blick hinein. »Das sieht aber ausgesprochen fett aus«, sagte er. Seine langen
Vorderzähne standen so weit vor, daß die Lippen darüber spannten. Sein ganzes
Gesicht wirkte gespannt, als sei die Backenmuskulatur durcheinandergeraten. Er
betrachtete Belle mit seinen tiefliegenden Augen und meinte:
»Bedauerlicherweise habe ich einen empfindlichen Magen.«
    »Los, aufessen, es wird Ihnen
guttun«, kommandierte Belle. »Wir reden gerade über verheiratete Männer.«
    »Wie bitte?«
    »Das andere Problem ist, daß
ich einen verheirateten Mann sehe und genau weiß, daß er mich unwiderstehlich
finden muß.«
    »Unwiderstehlich?«
    »Ich rede nicht mit Ihnen, Mr.
Lamb. Sie sollen jetzt essen. Ich sehe einen Mann und seine Frau, diese todsterbenslangweilige
Maus von Frau, die nicht mal ‘nen Hauch was aus sich macht, und denke, Warum
mag er mich nicht viel lieber? Bei mir ist es garantiert lustiger, und ich sehe
‘nen Zacken besser

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