Kleine Abschiede
zwei Messingkerzenständer, die sie
beiderseits der Blumenvase stellte. Inzwischen, in der Küche, hatte Belle das
Haus genau zwei Tage vor Primulas Geburt verkauft. »Das Datum auf dem
Kaufvertrag war exakt zwei Tage vor dem errechneten Geburtstermin«, sagte sie.
»Das Kind kam drei Tage später. Also bin ich natürlich mit ‘ner Kleinigkeit im
Krankenhaus vorbei; kann ich von der Steuer abziehen. Und da saß Henry, ganz
der stolze Vater, schleppte mich den Gang runter und zeigte mir das Baby hinter
dem Fenster, und redete wie ein Wasserfall: wie klug und wie niedlich und
bla-bla-bla. Und plötzlich war’s passiert, weißt du? Ich stand da, hörte kein
Wort von seinem Gequassel, sah nur, wie sich sein Mund bewegte, und dachte
plötzlich: Wenn ich jetzt einen Schritt vorgehe und. ihn küsse, was macht er
wohl dann?
»Kerzen?« fragte Delia.
»Vielleicht im Besenschrank.«
Belle putzte sich posaunend die Nase, so daß die Katze von ihrem Schoß sprang.
»Und eigentlich war er nicht mal mein Typ«, sagte sie. »Er war dünn! Und blaß!
Und hatte einen Computerfimmel! Aber ich stand da und dachte: Wenn ich jetzt
hier vor dem Babyfenster meine Bluse aufknöpfe und einfach seinen Mund anstarre
und mir mit der Zungenspitze die Unterlippe lecke.«
Die Kerzen lagen nicht im
Besenschrank, sondern in einer vergilbt weißen Schachtel auf dem Eisschrank.
Auch die Kerzen waren vergilbt, außerdem ein bißchen krumm. Delia steckte sie
dennoch in die Leuchter. Dann holte sie das Geschirr und Besteck aus der Küche
und deckte den Tisch. Belle war mittlerweile bei den Krämpfen des Babys, den
Streitereien der jungen Eltern, ihrem unerschütterlich gurrenden Mitgefühl.
»Ich legte mir einen Schlachtplan zurecht, ich lag auf der Lauer«, sagte sie.
»Ich verriet ihm, meine Tür steht immer offen. Um zwei, drei, vier Uhr morgens
verdrückte er sich aus dem Milchmief und Windelgestank; und ich hatte mein
Spaghettiträgernachthemd aus ›Viktorias Süßen‹ Nichts‹ an.«
Und alles hatte sich unter
diesem Dach abgespielt, während Delia fest schlief! Sie untersuchte den Puter.
Seine Brust wirkte eingefallen. Sie entdeckte die Aluschale mit Rosenkohl und
stellte sie bei kleiner Hitze in den Grill. Es gab auch Brötchen, aber die
wollte sie ganz zum Schluß aufbacken.
»Vor zwei Wochen ist Clematis
zu ihrer Mutter gefahren«, sagte Belle. »Nimmt das Kind und verschwindet. Ich
war im siebten Himmel. Hast du nicht gemerkt, daß ich in letzter Zeit immer so
gestrahlt habe? Oh, Delia, wie hältst du das aus, ohne Liebesleben?«
Delia, die gerade ein Paket
Papierservietten, bedruckt mit Pilgervätern und Mayflower, gefunden hatte,
hielt inne und ließ die Frage auf sich wirken. »Na ja«, sagte sie, »daß mich
keiner in den Arm nimmt, fehlt mir schon. Aber der ganze andere Rest,
ich weiß nicht, irgendwie kann ich es gar nicht mehr nachvollziehen. Ich denke, Warum war mir das mal so wichtig? Aber wahrscheinlich ist das nur — «
Es läutete an der Tür.
»Oh, Gott, wir haben das Essen
nicht abgesagt«, rief Belle, als hätte sie Delias Vorbereitungen nicht
mitbekommen. »Verflixt! Ich kann jetzt nicht! Sieh mal nach, wer da ist, ich
kümmere mich um mein Gesicht.«
Als Delia durchs Eßzimmer in
den Flur ging, kam sie sich erbärmlich und dünn und altjüngferlich vor, eine
unverheiratete Tante, Mädchen für alles.
Draußen stand Vanessa. Sie
hatte eine Lederjacke an und Jeans und hielt Greggie, auf eine Hüfte gestützt.
Hinter ihr stiegen ein Mann und eine Frau aus einem Auto, wahrscheinlich Belles
verheiratetes Paar. Delia blieb kaum Zeit, Vanessa die Neuigkeit zuzuflüstern:
»Henry McIlwain ist zu seiner Frau zurück« — da tauchte das Ehepaar auf der
Veranda auf. »Na so was! Wen haben wir denn da!« sagte der Mann zu Greggie. Er
war jung, höchstens dreißig, aber gesetzt wie ein Mann mittleren Alters, dachte
Delia, mit dem schütteren schwarzen Haar und dem langen schwarzen gediegenen
Mantel. Seine Frau war flott und attraktiv, dunkelhaarig und trug ein adrettes
rotes Wollkostüm, das Delia an ein Barbie-Puppenkleid erinnerte. »Ich bin Delia
Grinstead«, stellte Delia sich vor, »das ist Vanessa Linley — kennt ihr euch?
und Greggie.«
»Wir sind die Hawsers«, sagte
der Ehemann für beide. »Donald und Melinda.«
»Kommt doch herein.«
Sie wollte sie eigentlich ins
Wohnzimmer führen, doch als sie sich umdrehte, stand Belle schon in der
Eßzimmertür. Sie lächelte breit und rückte den tiefen Ausschnitt
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