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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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Dehydroxy — «
    Belle hatte jetzt die Katze ans
Fenster getragen. Sie hielt das Tier gegen die Scheibe, die fast undurchsichtig
schien, so staubig war sie. Spinnweben verschleierten oben die Vorhänge, und
die dürren langen Ausleger des Philodendron auf der Fensterbank waren
schmuddlig. Der ganze Raum schien seiner Farbe beraubt, als wäre er Delia in
Gedanken bereits entfallen.
     
     
     
    12 Mr. Pomfret sagte: »Aha, na
dann«, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. (Als gehörte sie zur
Büroausstattung.) Er bat sie nur noch, sagte er, bis zum Wochenende
weiterzuarbeiten — den angefallenen Kleinkram abzuwickeln. Wozu sie sich
natürlich bereit erklärte, obwohl es eigentlich nichts zu tun gab; nur das
Übliche, langweiliges Briefetippen und eintönige Telefonate, dazu Mr. Pomfrets
tägliche Portion Katalogbestellungen.
    Gerade brauchte er dringend ein
Paar Autohandschuhe aus perforiertem Leder. Eine Radioantenne im Format eines Frühstückstellers.
Ein Regal aus massivem Walnußholz für seine Golfballsammlung.
    Als sie ihm am
Freitagnachmittag ihre Schlüssel aushändigte, erklärte er, vielleicht würde er
sie erst im neuen Jahr ersetzen. »Diesmal«, sagte er, »werde ich wohl eine
Computerkraft einstellen, falls ich die finde.«
    Delia war einen Moment
verwirrt. Sie malte sich aus, wie er eine Maschine engagierte. Versuch mal, von
deiner Maschine deine Handschuhgröße zu erfahren! dachte sie. Dann begriff sie
ihren Fehler. Dennoch war sie verletzt, sie schulterte jählings ihre Tasche und
ging, ohne sich zu verabschieden.
     
    * * *
     
    Ihre gesamte Habe paßte leicht
in einen Pappkarton, den sie bei Rick-Rack’s Café besorgt hatte. Die Leselampe
ragte allerdings über den Rand. Sie hätte es dabei belassen können (Belle fuhr
sie mit dem Wagen), aber die Vorstellung, daß ihr Leben ganz genau in einen
einzigen Kasten paßte, gefiel ihr; also rückte sie alles so lange zurecht, bis
es gut schloß. Dann nahm sie ihren Mantel und die Tasche vom Bett, nahm den Karton
auf den Arm und ging hinaus.
    Ein letzter Blick war
überflüssig. Jede Einzelheit war ihr in Fleisch und Blut übergegangen — jedes
Nagelloch, jede Tapetennaht, und wie der Heizkörper mit den gußeisernen
Löwentatzen im Zwielicht dieses bedeckten Samstagmorgens einem hockenden
Tiergerippe glich.
    Unten an der Treppe setzte sie
das Gepäck ab und zog ihren Mantel an. In der Küche hörte sie Belle mit George
sprechen. Er blieb noch ein, zwei Wochen hier, bis Delia sich eingelebt hatte.
Delia fand, ihr neues Zuhause mußte erst »nach ihr riechen«; sonst liefe er
immer wieder zu ihrer alten Bleibe zurück.
    Mr. Miller hatte erklärt,
George sei herzlich gern gesehen. Er hätte selbst schon eine Katze kaufen
wollen (man beachte das Wort »kaufen«, anscheinend hatte er keine Ahnung, daß
kein Tierfreund je freiwillig den Fuß in eine Zoohandlung setzen würde).
    Während sie ihren Mantel
zuknöpfte, ging sie durchs Eßzimmer und klopfte an die Küchentür. »Ich komme«,
rief Belle. Delia ging zurück in den Flur.
    Oben bei Mr. Lamb knarrten die
Dielen, und sein Fernseher gab monotones, ununterbrochenes Wortgeplätscher von
sich. Sie fragte sich, wann er wohl merkte, daß sie fort war. Vielleicht nie,
dachte sie.
    Sie konnte es sich immer noch
anders überlegen.
    »Ich habe George eine Büchse
Thunfisch aufgemacht«, sagte Belle im Herauskommen. »Damit ist er erstmal
beschäftigt.«
    »Oh, Belle, du verwöhnst ihn.«
    »Für mein Schnurrschätzchen nur
das Beste! Hoffentlich will er am Ende gar nicht mehr weg. ›Nein, nein,
Mamimaus‹«, quiekte sie. »›Ich will bei Tante Belle bleiben.‹«
    Inzwischen warf sie den
Spitztütenschulter-Mantel über, schüttelte ihre Lockenpracht, ließ die
Autoschlüssel klingeln. »Alles fertig?« fragte sie.
    »Alles fertig.«
    Sie gingen hinaus zu ihrem riesengroßen,
alten Ford. Delia verstaute den Karton zwischen den Maklerfirmaschildern im
Kofferraum, und dann packten sie sich beide auf die grünweißen Plastikpolster
mit dem eingeprägten Rohrflechtmuster. Begleitet vom beharrlichen Klingeln des
Sicherheitsgurtalarms, ließ Belle den Motor an und fuhr los.
    Delia war seit Monaten nicht
mehr Auto gefahren. Wie rasch und reibungslos alles vorüberglitt! Sie langte
nach dem Türgriff, als sie um die Ecke rauschten, und dann flip! flip! flip! verschwanden Zahnarzt, Kaufhaus und Duftblumenladen. In Null Komma nichts
befanden sie sich in der Pendle Street und parkten in der Kiesauffahrt vor
Millers

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