Kleine Einblicke

überstehen.
    Eine halbe Stunde später bin ich ohne Strichmännchen im Gesicht unterwegs zum Bäcker an der Ecke, um Frühstück zu besorgen. Adrian läuft neben mir, den Blick auf Isabell gerichtet, die unbedingt zu Fuß gehen wollte und das mittlerweile auch richtig gut hinbekommt. Fast zwei Jahre ist sie mittlerweile alt und aus dem kleinen Baby, das ich damals im Krankenhaus zum ersten Mal ansehen durfte, ist mittlerweile eine richtige kleine Lady geworden. Sie ist ein Papa-Kind, mit eindeutiger Fixierung auf Adrian. Obwohl sie Linda und Rachel genauso mag wie Violett und natürlich David, steht Adrian bei Isabell an erster Stelle. Wir sind eine große Männertruppe und die paar Frauen in unserer Runde wissen das gut zu nutzen, wenn es darum geht, dass sie etwas von uns wollen.
    „Papa, Papa. Hund.“ Isabell deutet auf die andere Straßenseite, wo ein junger Mann mit einem Golden Retriever unterwegs ist, der auf den ersten Blick wie Minero aussieht.
    „Nicht auf die Straße, Isa“, mahnt Adrian, als Isabell aufgeregt auf der Stelle zu hüpfen anfängt. Sie will den Hund natürlich gern streicheln und Adrian wird ihr vermutlich nachgeben, und anfragen, ob das für den Besitzer in Ordnung geht. „Papa?“
    Isabell sieht bittend zu Adrian und als der seufzt, grinse ich. „Spar' dir jeden Kommentar dazu.“
    „Geh ruhig. Ich hole derweil unser Frühstück.“
    Adrian nickt und schließt zu Isabell auf, um sie auf den Arm zu nehmen, bevor er die Straße überquert. Ich sehe den Zwei nach, bis sie den Hundebesitzer erreicht haben und wende mich dann amüsiert dem Bäcker zu. Isabell hat Adrian völlig um den Finger gewickelt, dabei hatte ich anfangs noch gedacht, er würde der strengere Vater sein. Pustekuchen. David ist im Hause Quinlan die oberste Instanz, sobald es um Erziehungsfragen geht.
    Bei Tristan und mir hat sich das noch nicht herauskristallisiert und ich glaube, im Moment ist es auch das Beste, dass wir Liam und Noah im Großen und Ganzen tun lassen, was sie wollen. Es gibt zwar ein paar typische Regeln, wie ihr Zimmer aufräumen und regelmäßig den Müll wegbringen, aber ansonsten sollen die Zwillinge erst mal einfach Kind sein, was sie bislang nicht durften.
    Es ist nicht immer leicht für Tristan und mich, das gebe ich zu. Der Wechsel vom Zweipersonenhaushalt zu einer Familie mit Kindern ist nicht einfach gewesen. Wir hatten einige Streitereien in den ersten Wochen. Mit Liam und Noah genauso wie untereinander. Allein die tagelange Diskussion, als es darum ging, die Brüder nach den Sommerferien in die Schule zu kriegen war mehr als heftig, denn sie haben sich strikt geweigert. Tristan und ich waren schließlich mit unserem Latein am Ende, bis er auf die Idee kam, bei Colin und Mikael anzurufen, um Kilian um Hilfe zu bitten. Der Junge kam auch zu uns. Sofort am nächsten Wochenende stand er mit seinen Vätern und diesem verrückten Hund bei uns vor der Tür. Das ist ein Hund. Himmel noch mal. Ich lache immer noch, sobald ich daran denke, wie Whiskey hinter Tasha und Emma her ist und die Drei dann gemeinsam das Kinderzimmer von Noah und Liam zerlegt haben.
    War ich ihnen böse? Ich wäre es gerne gewesen, aber ich war zu sehr mit Lachen beschäftigt wie alle anderen auch. Außer Kilian, dem das unglaublich peinlich war. Dafür hat er am selben Abend herausgefunden, wo das Schulproblem lag. Es ging nicht darum, dass die Liam und Noah nicht zur Schule gehen wollten. Im Gegenteil. Sie wollten nur nicht wieder Außenseiter sein. Erstens wegen ihren Eltern und zweitens, weil die Zwillinge rein schulisch gesehen auf dem Stand von Zweitklässlern sind. Sie können weder richtig lesen, schreiben und rechnen. Ihre Eltern haben sich nie darum gekümmert und dem Jugendamt ist es einfach nicht aufgefallen, weil die Leute völlig damit beschäftigt waren, die Brüder aus ihrem Elternhaus zu bekommen.
    Tristan und ich haben das geklärt und seit das neue Schuljahr im letzten Monat angefangen hat, gehen Liam und Noah auf eine andere Schule und nehmen gleichzeitig an einem angebotenen Förderprogramm für Schüler mit Lernproblemen teil. Eine Sorge weniger für Tristan und mich, und mit der Zeit wird sich auch Liams Nachtangst legen und Noahs Zusammenzucken vor jedem lauten Geräusch. Noch ist es zu früh dafür, aber sie haben keine Angst mehr vor uns, und das ist Tristan und mir das Wichtigste. Sie haben auch keine Angst vor der großen Familie, in die sie praktisch hineingeworfen wurden und ja, mir ist ein