Kleine Einblicke
Er hat ohne zu zögern 'Ja' gesagt, weil er sah, wie sehr mich dieser Fall beschäftigte. Weil er genau spürte, wie diese beiden Kinder mir von Tag zu Tag wichtiger wurden.
Adrian glaubt, dass ich ein guter Vater sein werde. Alle denken das. Jeder, den ich deswegen um Rat gefragt habe, nachdem ich beim Jugendamt angefragt hatte, wie es mit einer Pflegeschaft aussieht. Trotzdem fürchte ich mich im Moment zu Tode, denn ich weiß viel zu gut, wie ich selbst in ihrem Alter war. Ich weiß, was mit Liam und Noah auf Tristan und mich zukommen wird, und ich habe Angst davor, dass ich vielleicht nicht stark genug bin, den Zwillingen das zu geben, was sie so dringend brauchen. Ein Zuhause.
Und ich glaube meine Zweifel sind berechtigt, denn sie sind noch keinen Tag hier und schon habe ich es vermasselt.
Tristan ist gerade oben und bringt die beiden ins Bett, weil ich es nicht fertigbrachte. Wir haben ihnen ein gemeinsames Zimmer eingerichtet, weil Tristan genauso wie ich denkt, dass es besser ist, wenn Liam und Noah die erste Zeit eng zusammen sein können. Deshalb ein eigenes großes Zimmer, mit genügend Abstand zu unserem Schlafzimmer, damit sie wissen, dass wir ihnen soviel Raum und vor allem Zeit geben, wie sie brauchen.
Ich habe allerdings nicht damit gerechnet, dass ich Derjenige sein würde, der Zeit und Raum braucht, sobald sie bei uns sind. Es war wie ein Schlag ins Gesicht, sie zu beobachten, und ich bekomme den Anblick einfach nicht mehr aus meinem Kopf. Wie sie das Haus betraten und sich genau umsahen. Sie haben in jede Ecke gesehen, immer auf der Hut vor der Falle, die unser Haus, aber vor allem wir, für sie darstellen könnten, und mit jeder Minute die verging, erstarrte ich innerlich mehr, weil ihr Verhalten meinem eigenen so sehr ähnelt.
Schließlich habe ich nicht mehr Liam und Noah gesehen, ich habe nur noch mich gesehen. Sie sind ich, denn genauso habe ich damals reagiert, als ich das erste Mal bei Adrian übernachtete. Wirklich übernachtete, und nicht bloß, um mit ihm ins Bett zu steigen. Liam und Noah sind der Spiegel, den ich mir nie vorhalten wollte, und ich weiß einfach nicht, ob ich das auf Dauer ertragen kann.
„Liam hat gefragt, wie es dir geht“, sagt Tristan auf einmal und setzt sich neben mich. Ich zucke zusammen, weil ich ihn nicht habe kommen hören, und sein Blick ist eindeutig. Er weiß es. Das tut er immer. Tristan kennt mich in und auswendig. „Wirst du klarkommen? Ich kann die Aufführung absagen, wenn du willst.“
Und eben das will ich nicht. Wir müssen unser Leben weiterführen wie bisher, und das bedeutet auch, dass Tristan gleich ins Theater fahren wird, um zu spielen. Ich habe mir diese Woche freigenommen. Adrian übernimmt meine Fälle, damit ich die nächsten Tage für Liam und Noah da sein kann. Ich habe selbst darum gebeten, für die zwei der erste Ansprechpartner zu sein, weil ich eben ganz genau weiß, was in ihren Köpfen vorgeht und weil ich hoffe, helfen zu können, wenn irgendetwas ist.
„Was hast du ihnen gesagt?“, will ich wissen.
„Die Wahrheit.“
Ich sehe Tristan an und er lächelt. „Sie wissen genau wie du was gerade mit mir los ist, oder?“, frage ich daher und Tristan nickt, bevor er leise sagt,
„Ihr seid euch zu ähnlich. Also habe ich ihnen von deinen Eltern erzählt. Sie haben verstehend genickt und sind ins Bett gegangen. Tasha und Emma sind bei ihnen. Es kann nicht schaden, denke ich.“
Ich nicke nur. Zwei Kinder und zwei Hunde. Das wird vermutlich noch für jede Menge Chaos bei uns sorgen, aber schaden kann es mit Sicherheit nicht, da hat Tristan Recht.
„Wirst du klarkommen?“, will Tristan erneut von mir wissen, als ich nichts mehr sage.
„Ja.“
Keine Ahnung, woher ich diese Zuversicht nehme, aber ich werde klarkommen. Wir, Liam, Noah und ich, werden heute Abend und auch die nächsten Tage klarkommen. Irgendwie. Ja, ich habe Angst. Angst davor, etwas falsch zu machen. Aber gleichzeitig ist mir bewusst, dass ich es kaum noch schlimmer machen kann, als es für die Brüder schon war. Es kann nur besser werden, wenn auch nicht gleich heute und morgen. Wir werden uns schon zusammenraufen.
„Hey, sieh mich mal an, Nicky“, bittet Tristan, nachdem wir eine Weile geschwiegen haben, und streicht mir zärtlich über die Wange, als unsere Blicke sich treffen. „Lass uns wetten.“
„Wetten?“, frage ich verdutzt und Tristan grinst. „Worum?“
„Ich gebe den Beiden zwei Monate, dann werden sie unser Haus auf den Kopf
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