Kleine Fische zählen nicht
unsere Detektei etwas dabei herausspringen könnte, wenn ich mehr über ihn herausfand. Ich folgte ihm also, aber in so weitem Abstand, daß er nichts merkte.
Auf der Kreuzung kam’s nach dem Unfall zu einer Verkehrsstockung, und es dauerte eine Weile, bis ich mich durchmanövriert hatte. Inzwischen hatte der Wagen schon zwei Blocks Vorsprung. Dann wurde ich von einer Ampel aufgehalten, aber ich bin mir ziemlich sicher, daß ich den Wagen auf dem Sunset-Boulevard wieder erwischte. Er sah jedenfalls genauso aus.«
»Und die Zulassungsnummer haben Sie nicht ausmachen können?«
»Nein. Ich hab’s auch gar nicht versucht. Mich interessierte mehr, wohin der Bursche wollte und warum er’s so eilig hatte. Deshalb vermied ich alles, was ihn hätte warnen können. Ich fuhr in ziemlicher Entfernung hinter ihm her und behielt ihn im Auge. Das genügte mir vorläufig, denn ich wollte ihm bis zu seinem Ziel folgen. Dann hätte ich beides gehabt: die Nummer und die Adresse, die er mit solcher Rasanz ansteuerte.«
»Dieser Teil der Geschichte kommt mir verdammt faul vor«, sagte Sergeant Sellers.
Ich schwieg.
»Sie würden mich doch nicht anschwindeln, oder?« fragte er.
»Die Sache liegt doch so: Sie haben mich oft genug herumgeschubst. Folglich würde ich Sie, wenn’s sich nicht vermeiden läßt, jederzeit anschwindeln, um einen Klienten zu schützen. Aber eins steht fest: Immer, wenn ich zu Ihnen komme und Ihnen den Rat gebe, eine bestimmte Sache so oder anders anzupacken, dann meine ich’s ehrlich.«
»Ich weiß, und das ist ja gerade der Haken. Sie wollen für mich denken.«
»Keine Spur. Ich will Ihnen nur helfen.«
»Der Teufel soll mich holen, aber Ihre Kapriolen von gestern nacht kommen mir mehr als verdächtig vor. Und jetzt hören Sie gut zu: Ich möchte, daß Sie die ganze Sache vergessen.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Genauso, wie ich es gesagt habe. Sie haben gelogen, aber wir sind bereit, es zu vergessen — vorausgesetzt, Sie vergessen’s auch. Lassen Sie Ihre Finger von der Sache und bohren Sie nicht weiter. Versuchen Sie ja nicht das, was Sie wissen, an die Leute zu verkaufen, die in den Unfall verwickelt sind. Und sprechen Sie vor allem nicht mit Zeitungsfritzen darüber.«
»Du lieber Himmel!« Ich legte so viel Erstaunen wie möglich in meine Stimme. »Sie wollen doch nicht behaupten, daß ein so mieser kleiner Unfall, bei dem es nur ein bißchen Blechschaden gab, das Interesse der Presse erregt und...«
»Das hab’ ich nicht gesagt.« Sergeant Sellers stieß mir den Zeigefinger in die Rippen und unterstrich jedes Wort mit kleinen bohrenden Bewegungen. »Ich sagte, Sie sollen das Ganze vergessen und mit niemandem darüber sprechen. Sie sollen sich nicht in diese Unfallsache einmischen. Mit anderen Worten: Sie sollen Ihre Nase nicht in Dinge stecken, die Sie nichts angehen, oder Sie werden’s bereuen.
Und jetzt will ich Sie von meiner verhaßten Gegenwart und meiner anstößigen Zigarre befreien. Schreiben Sie sich eins hinter die Ohren, Lam: Wenn Sie in dieser Sache irgendwelche krummen Touren machen, werde ich persönlich dafür sorgen, daß man
Ihnen Ihre Lizenz als Privatdetektiv entzieht und daß sie nie wieder erneuert wird. Ich hoffe, Sie haben mich verstanden.«
Sellers stelzte hinaus.
»Gerechter Strohsack«, sagte ich verwundert zu Elsie Brand, »was ist denn nur in den gefahren?«
»Während er auf Sie wartete, war er sichtlich nervös. Er tigerte im Zimmer auf und ab und kaute wie wild an seiner scheußlichen Zigarre herum.«
»Hat er nicht nach Bertha gefragt?«
»Nein, er wollte heute nur mit Ihnen sprechen. Ich hatte das Gefühl, daß es ihm lieber wäre, wenn Bertha von seiner Anwesenheit nichts erführe.«
»Komisch. Er und Bertha kommen doch gut miteinander aus.«
Elsie lächelte vor sich hin, setzte zum Sprechen an, überlegte es sich aber anders und klapperte weiter auf ihrer Schreibmaschine.
»Ich gehe jetzt etwas Luft schnappen, falls Bertha nach mir fragen sollte. Nach dem Lunch bin ich wieder zurück.«
8
Als ich nach dem Lunch wieder im Büro aufkreuzte, kam Elsie Brand gerade aus Berthas Zimmer und paßte es so ab, daß wir beide im gleichen Moment vor meiner Tür anlangten.
»Hat Bertha nach mir gefragt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Übrigens kenn’ ich jetzt das Geheimnis der Rhoda Avenue«, sagte sie und machte die Tür hinter sich zu.
»Woher?«
»Es kam im Radio. Ich schaltete die Nachrichten ein, nur so aufs Geratewohl, und als ich
Weitere Kostenlose Bücher