Kleine Freie Männer
dem sie sich näherten. Ein Baum ist
ein Baum, dachte Tiffany. Ob nah oder fern, es bleibt ein Baum. Er hat eine Rinde und Zweige und Wurzeln. Man
weiß, dass alles da ist, selbst wenn der Baum so weit entfernt ist, dass man ihn nur als kleinen Fleck sieht.
Die Bäume hier waren anders. Tiffany hatte den
Eindruck, dass sie Flecken waren, dass ihnen Wurzeln, Zweige und andere Details wuchsen, während sie sich
ihnen näherte, als dachten die Bäume: »›Schnell, da kommt jemand! Wir müssen komplett aussehen!‹
Es war, als hielte sie sich in einem Bild auf, bei dem der Maler nicht viel Mühe auf den Hintergrund verwendete,
sondern überall dort hastig ein bisschen Wirklichkeit schuf, wohin man sah.
Die Luft war kalt und tot wie die Luft in alten Kellern.
Das Licht trübte sich, als sie sich dem Wald näherten.
Zwischen den Bäumen wurde es blau und gespenstisch.
Keine Vögel, dachte Tiffany.
»Halt«, sagte sie.
Die Kobolde ließen sie zu Boden, doch Rob Irgendwer
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sagte: »Wir sollten nicht zu lange hier bleiben. Augen auf, Jungs.«
Tiffany holte die Kröte aus der Schürzentasche. Sie
blinzelte, als sie den Schnee sah.
»Oh, Schuak«, brummte sie. »Das ist nicht gut. Ich sollte im Winterschlaf liegen.«
»Warum ist alles so … sonderbar?«
»Da kann ich dir nicht helfen«, sagte die Kröte. »Ich
sehe nur Schnee, ich sehe nur Eis, ich erfriere. Da spricht die innere Kröte aus mir.«
»So kalt ist es nicht!«
»Fühlt sich … kalt … für … mich … an …« Die Kröte
schloss die Augen. Tiffany seufzte und steckte sie wieder in die Tasche.
»Ich sag dir, wo wir sind.« Rob Irgendwers Blick galt
den blauen Schatten. »Kennst du die kleinen Biester, die sich an Schafen festhalten, sich voll Blut saugen und dann wieder abfallen? Diese ganze Welt ist wie so etwas.«
»Wie eine Zecke, meinst du? Ein Parasit? Ein Vampir? «
»Ja. Sie schwebt umher, bis sie die schwache Stelle einer anderen Welt findet, in der niemand aufpasst, un' öffnet eine Tür. Dann schickt die Königin ihre Leute los. Damit sie stehlen, weißt du. Sie überfallen Scheunen, lassen Vieh verschwinden …«
»Kühe zu stehlen hat uns Spaß gemacht«, warf der
Doofe Wullie ein.
»Wullie«, brummte Rob Irgendwer und zeigte mit dem
Schwert auf ihn, »ich habe dir doch gesagt, du sollst bei 203
Gelegenheit nachdenken, bevor du deine große Klappe aufmachst.«
»Ja, Rob.«
»Dies war eine solche Gelegenheit.« Rob drehte sich um und sah verlegen zu Tiffany auf. »Ja, wir waren Meister-klauer für die Königin. Die Leute gingen nicht mehr auf die Jagd, weil sie sich vor kleinen Männern fürchteten.
Aber es hat ihr nie genügt. Sie wollte immer mehr. Wir wiesen darauf hin, dass es nich' richtig ist, das einzige Schwein einer alten Frau zu stehlen, oder Nahrungsmittel von jenen, die nicht genug zu essen haben. Ein Größter ist jederzeit bereit, einem reichen Großen die goldene Tasse zu stehlen, aber …«
… die Tasse zu nehmen, in der ein Greis sein Gebiss
aufbewahrte, beschämte die Kobolde. Die Wir-sind-die-
Größten kämpften und stahlen, aber wem gefiel es, gegen Schwache zu kämpfen und Arme zu bestehlen?
Vor dem schattigen Wald hörte Tiffany die Geschichte
von einer kleinen Welt, in der nichts wuchs, in der keine Sonne schien, in der alles von woanders kommen musste.
Es war eine Welt, die immer nur nahm und bis auf Furcht nichts gab. Sie plünderte – und die Menschen lernten, im Bett zu bleiben, wenn sie nachts seltsame Geräusche
hörten, denn wenn jemand der Königin Schwierigkeiten
machte, konnte sie seine Träume kontrollieren.
Tiffany verstand nicht ganz, wie sie das anstellte, aber von dort kamen Geschöpfe wie die Todeshunde und der
kopflose Reiter. Diese Träume waren … wirklicher. Die
Königin konnte Träume nehmen und ihnen … Substanz
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verleihen. Es war möglich, sie zu betreten und zu
verschwinden. Und man wachte nicht auf, bevor die
Ungeheuer einen erwischten…
Die Gesandten der Königin stahlen nicht nur
Lebensmittel. Sie entführten auch Personen …
»… wie Pfeifenspieler«, sagte William der Dudler.
»Elfen können keine Musik machen, weißt du. Sie
verschleppen jemanden, der für sie Musik spielt.«
»Und die Königin entführt Kinder«, fügte Tiffany hinzu.
»Ja. Dein kleiner Bruder is' nich' das erste«, sagte Rob Irgendwer. »Hier gibt es nicht viel Spaß und Gelächter. Die Königin glaubt, gut mit Kindern umgehen zu können.«
»Die alte Kelda
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