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Kleine freie Männer

Kleine freie Männer

Titel: Kleine freie Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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schrecklich gefährlich!«
    Er winkte mit einer blassen Hand, als wollte er sie wegwischen. Tiffany schüttelte den Kopf und ging weiter.
    Sie sah vornehme Männer und Frauen, gut gekleidete Leute und auch einige Schäfer. Doch einige von ihnen wirkten wie zusammengesetzt. Sie erinnerten Tiffany an ein Bilderbuch in ihrem Schlafzimmer.
    Es bestand aus dicker Pappe, und Generationen von Weh-Kindern hatten die Kanten zerfranst. Jede Seite zeigte eine Person und war in vier Streifen unterteilt, die man unabhängig voneinander umklappen konnte. Ein gelangweil-tes Kind konnte Teile der Seiten umblättern und so das Erscheinungsbild der dargestellten Personen ändern. Auf diese Weise erhielt man zum Beispiel den Kopf eines Soldaten auf dem Rumpf eines Bäckers, der das Kleid einer Magd und große Farmerstiefel trug.
    Tiffany hatte sich nie genug gelangweilt. Sie glaubte, dass selbst Geschöpfe, die den größten Teil ihres Lebens mit dem Kopf nach unten an Zweigen hängend verbrachten, sich nie genug langweilen würden, um mehr als fünf Sekunden Zeit mit einem solchen Buch zu verbringen.
    Die Leute um sie herum sahen aus, als stammten sie aus diesem Buch oder als hätten sie sich im Dunkeln für ein Kostümfest angezogen. Ein oder zwei von ihnen nickten ihr zu, als sie vorbeiging, schienen aber nicht überrascht zu sein, sie zu sehen.
    Tiffany duckte sich unter ein rundes Blatt, das viel größer war als sie, und holte erneut die Kröte hervor.
    »Wap? Es ist noch immer kaaalt«, sagte die Kröte und kauerte sich auf Tiffanys Hand zusammen.
    »Kalt? Die Luft scheint zu brennen!«
    »Ich sehe nur Schnee«, sagte die Kröte. »Leg mich in die Tasche zurück, ich erfriere!«
    Moment mal, dachte Tiffany. »Träumen Kröten?«, fragte sie.
    »Nein!«
    »Oh... Es ist also wirklich nicht heiß?«
    »Nein! Das glaubst du nur!«
    »Psst«, ertönte es.
    Tiffany steckte die Kröte ein und fragte sich, ob sie es wagen sollte, den Kopf zu drehen.
    »Ich bin's!«, sagte die Stimme.
    Tiffany drehte sich zu eine Gruppe von Gänseblümchen um, die zweimal so groß waren wie ein erwachsener Mann. »Das hilft nicht viel...«
    »Bist du verrückt?«, fragten die Gänseblümchen.
    »Ich suche meinen Bruder«, sagte Tiffany scharf.
    »Das grässliche Kind, das dauernd nach Süßigkeiten schreit?«
    Die Stängel der Gänseblümchen wichen beiseite, und Roland trat zu Tiffany unter das große Blatt.
    »Ja«, sagte sie, ging ein wenig auf Abstand und hatte das Gefühl, dass nur eine Schwester das Recht hatte, selbst einen Bruder wie Willwoll »grässlich« zu nennen.
    »Und der damit droht, auf die Toilette zu gehen, wenn man ihn allein lässt?«
    »Ja! Wo ist er?«
    »Das ist dein Bruder? Der kleine Junge, der immerzu klebrig ist?«
    »Ja!«
    »Und du willst ihn wirklich zurückhaben?«
    »Ja!«»Warum?«
    Weil er mein Bruder ist, dachte Tiffany. Was hat »Warum?« damit zu tun?
    »Weil er mein Bruder ist! Sag mir jetzt, wo er ist.«
    »Bist du sicher, dass du diese Welt verlassen kannst?«, fragte Roland.
    »Natürlich«, log Tiffany.
    »Und du kannst mich mitnehmen?«
    »Ja.« Das hoffte sie wenigstens.
    »Na schön. Ich erlaube dir, das zu tun«, sagte Roland und entspannte sich.
    »Oh, du erlaubst es mir?«, erwiderte Tiffany.
    »Ich wusste nicht, was du warst«, erklärte Roland. »Es gibt immer seltsame Dinge im Wald. Verirrte Leute, Teile von Träumen, die noch herumliegen... Man muss vorsichtig sein. Aber wenn du wirklich den Weg kennst, sollte ich besser zurückkehren, bevor sich mein Vater zu große Sorgen macht.«
    Tiffany spürte, wie die Zweiten Gedanken begannen. Sie sagten: Ändere nicht den Gesichtsausdruck. Überprüf die Sache...
    »Wie lange bist du schon hier?«, fragte sie vorsichtig. »Ich meine, genau?«
    »Das Licht ändert sich hier kaum«, antwortete der Junge. »Dem Gefühl nach würde ich sagen... einige Stunden. Vielleicht einen Tag... «
    Tiffany war bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, aber es gelang ihr nicht. Roland kniff die Augen zusammen.
    »Das stimmt doch, oder?«, fragte er.
    »Äh... warum fragst du?«, entgegnete Tiffany verzweifelt.
    »Weil es sich in gewisser Weise... länger anfühlt. Ich hatte nur zwei- oder dreimal Hunger, und ich bin nur zweimal... du weißt schon, ich kann also nicht sehr lange hier sein. Aber ich habe viele Dinge getan... es war ein ereignisreicher Tag...« Rolands Stimme verklang.
    »Ah, ja, du hast Recht«, sagte Tiffany. »Die Zeit vergeht hier langsamer. Dein

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