Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
die Gemeinschaft sehr wichtig. Die Kranken bekommen besondere Kost, auch Fleisch zur Stärkung. Für den Konvent sind neben dem Gemüse nur Fisch und Geflügel erlaubt.
Recht komfortabel ist im Plan die «äußere» Schule (Nr. 11) für junge Leute, die dem Kloster zur Erziehung anvertraut wurden. Davon getrennt gibt es eine «innere» Schule für Kinder, die im Kloster bleiben sollten, und ein Noviziat (Nr. 2–4), wo die künftigen Mönche und Nonnen (Novizen) auf ihre endgültige Aufnahme vorbereitet werden.
Der Garten zur Eigenversorgung mit Obst und Gemüse, aber auch zur Meditation (Nr. 42–45), ist im St. Galler Plan symbolisch«aufgeladen». Er wird mit dem Friedhof verbunden. Im Zentrum steht der «Baum des Lebens», das Kreuz, als Zeichen für die Auferstehung. Die Namen der Bäume und Pflanzen hat der Autor der Hofgüterverordnung Karls des Großen, dem sogenannten Capitulare de villis, entnommen.
Schließlich braucht man weitere Einrichtungen zur Selbstversorgung, wie Bäckerei und Brauerei (Nr. 38), Mühle, Stampfe und Darre (Dörrofen für Obst, Nr. 37). Verschiedene Werkstätten (Nr. 39) konnten für den Eigenbedarf und für fremde Auftraggeber arbeiten; in manchen Klöstern wurden sogar Waffen geschmiedet. Nicht zu vergessen sind die Keller (z.B. Nr. 25) für die Vorräte und den Wein sowie die Scheunen und Speicher (Nr. 36, 40) für das Getreide.
Geflügelställe (Nr. 41) sollten auf jeden Fall in erreichbarer Nähe liegen, ebenso wie Fischbecken, in denen man die Tiere am Leben halten konnte, bis sie gebraucht wurden. Letztere fehlen auf diesem Plan, vermutlich, weil auf der Reichenau der Bodensee vor der Tür liegt. Eher am Rande des Klostergeländes hat man die verschiedenen Stallungen angesiedelt (Nr. 28–34). Für die Reisen und den Transport brauchte man insbesondere Pferde und Ochsen (Nr. 34), Maultiere und Esel. Der Käse kam vor allem von Schafsund Ziegenmilch (Nr. 30), eventuell auch von der Milch von Kühen (Nr. 32). Die Schweine (Nr. 31) wurden eigentlich nur für die Gäste gehalten, denn in der geistlichen Gemeinschaft sollte, wie erwähnt, das Fleisch vierfüßiger Tiere gemieden werden (Regel 39, 11).
Die Mindestzahl an geistlichen Personen in einem Kloster, vor allem bei einer Neugründung, sollte 12 betragen, die Zahl der Apostel. Häufig wird die Zahl 30 für Konvente genannt, aber es gab auch Klöster mit 100 oder mehr Mitgliedern. Diese Zahlen verdoppeln sich zumindest durch das zum Betrieb nötige Personal. Laienbrüder waren entweder einfache Leute, die nicht für die geistlichen Tätigkeiten, sondern vor allem für die körperliche Arbeit zuständig waren, aber ebenso wie die Mönche regelmäßig ihre Gebete verrichteten, oder alte Leute, die sich durch größereSchenkungen ins Kloster eingekauft hatten, um eine gute Altersversorgung zu haben und in der Nähe eines heiligen Ortes zu sterben und begraben zu werden.
Zusammen ergibt all dies einen sehr großen Betrieb, der in geordneten Bahnen funktionieren muss. Ziel dieses Betriebes ist es, den Mönchen und Nonnen die Zeit für die geistige Arbeit, Liturgie, Gebet und Studium zu verschaffen. Für den heiligen Benedikt war das Kloster eine Werkstatt für das Gotteslob, eine «Schule für den Dienst des Herrn» (Prolog 45), für den protestantischen Soziologen Max Weber († 1920) war es das Urbild rationalen Wirtschaftens – und das ist kein Widerspruch.
Askese
Es begann in der Wüste. Lange vor der Entstehung des Christentums zogen sich Menschen dorthin aus religiösen Gründen zurück. Das Thema «Wüste» blieb für geistliche Frauen und Männer immer wichtig, wenigstens metaphorisch (vgl. S. 223). Für manche irischen Mönche war die größte Askese der freiwillige Gang ins Exil; ihre «Wüste» war die Heimatlosigkeit. Diesen Wanderern, wie dem heiligen Columban († 615) oder Bischof Virgil von Salzburg († 784), hat das europäische Christentum wichtige Akzente zu verdanken.
Es gab Leute, die im Christentum eine neue Gemeinschaft fanden; daraus wurde die Kirche. Es gab in dieser Kirche aber auch Leute, die sich zeitweise oder ganz der Gemeinschaft entzogen. Sie wurden μοναχο(monachoí, Einzelne), Mönche also, und Eremiten – der Begriff kommt von(erēmos, Wüste). Sie blieben in ihrer Askese (σκησις, áskesis, Übung) ein Vor- oder Idealbild, man suchte sie auf und ließ sich beraten, mahnen, predigen oder taufen, wie bei Johannes dem Täufer.
Aber es gab und gibt auch
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