Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
Bevor der Priester in die Kirche geht, soll er sich kämmen; böse Zungen behaupteten, das sei vorgeschrieben, damit ihm keine Laus in den Kelch fiele. Die liturgischen Kämme wären dafür aber eher ungeeignet gewesen. Dann bringt man ihm Wasser, und er wäscht sich die Hände und trocknet sie ab.
Die Farbe von Stola und Kasel wird dem Festkreis angepasst. Weiß ist beispielsweise die Farbe an Festen der Bekenner und Jungfrauen, der Engel, zu Weihnachten, bei Johannes dem Täufer, zu Epiphanie, Lichtmess, am Gründonnerstag, zu Auferstehung und Himmelfahrt, bei der Bischofsweihe und zur Kirchweih. Rot wird gewählt an den Festen der Apostel und Märtyrer, am Fest des Kreuzes (zu dem aber auch weiß getragen wird) und zu Pfingsten. Schwarz galt als passend im Advent und in der Fastenzeit, wurde bei diesen Anlässen aber abgelöst von Violett, und – wie heute noch – bei Totenfeiern (auch dabei kommt manchmal Violett vor). Grün ist die Farbe an gewöhnlichen Tagen.
Der Introitus (Einzug) wird von Gesang begleitet, der bereits das Thema des Tages angibt. Den Priester begleiten die Messdiener, Ministranten. Vor dem Altar betet der Priester, während der Chor noch singt, das Stufengebet. Am mittleren, dem vierten Sonntag in der vorösterlichen Zeit lautet der Introitus: «Freut euch mit Jerusalem! Jubelt in der Stadt …» (Jes 66, 10f.). Der vierte Fastensonntag heißt daher nach dem lateinischen Gebet
Laetare.
Das Evangelium erzählt von der wunderbaren Brotvermehrung (Jh 6). Dieser Sonntag unterbrach das Fasten und galt als hoher Festtag. Er war für feierliche Veranstaltungen, auch Krönungen, sehr beliebt und heißt auch «Rosensonntag», weil an diesem Tag der Papst bis zum 19. Jahrhundert eine goldene Rose an besonders verdiente Personen verlieh.
Auch beim Introitus gibt es Parallelen zum feierlichen Einzug eines Fürsten (vgl. z.B. S. 190), bei dem selbstverständlich ebenfalls Musik gespielt wurde.
Abb. 24: Aquamanile in Rittergestalt, 13. Jh., Niedersachsen, heute Metropolitan Museum of Art, New York
Der Altar wird beräuchert. Währenddessen oder danach werden das
Kyrie eleison,
Herr, erbarme dich, und das Gloria, Ehre sei Gott, gesungen. In der Advents- und Fastenzeit und an Bußtagen entfällt das Gloria. Dann begrüßt der Priester zum ersten von sieben Malen mit dem
Dominus vobiscum,
der Herr sei mit euch, die Gläubigen.
Nach einem kurzen Gebet des Priesters beginnt der Wortgottesdienst mit der Lesung einer oder mehrerer Passagen aus dem Alten Testament und/oder aus den Apostelbriefen. Diese wurden im Mittelalter wie das Evangelium in der Regel lateinisch vorgetragen und oft erst in der Predigt für die Laien verdeutlicht. Glaubensbekenntnis, Bußgebete und Predigten wurden häufig in die jeweilige Volkssprache übersetzt. Vor dem Evangelium erklingt, außer in der vorösterlichen Fastenzeit, das Alleluja, dessen musikalische Ausgestaltung eine der Keimzellen des Kirchgesangs war.
Darauf folgen die Vorbereitungen für den Kernteil der Messe. Ein leinenes Tüchlein, das Corporale (weil darauf auch das Corpus Christi, der Leib des Herrn, liegt), wird ausgebreitet, darauf der Kelch gestellt, in den ein paar Tropfen Wasser und Wein gegeben werden. Daneben liegt auf einem Tellerchen, der Patene, die Hostie. Der Priester wäscht sich noch einmal kurz und zeremoniell die Hände.
Solche rituelle Händewaschungen sind seit der Antike auch bei festlichen Mahlzeiten im weltlichen Bereich üblich. Diener gießen dabei das Wasser aus einem oft kostbar gestalteten Gießgefäß, dem Aquamanile.
Am Ende der Vorbereitungen wendet sich der Priester an das Volk bzw. die Ministranten mit der Bitte: «Betet, dass mein und euer Opfer dem allmächtigen Vater gefalle», und diese antworten: «Der Herr nehme das Opfer an …» Es folgen wieder ein
Dominus vobiscum
und die Aufforderung
Sursum corda,
erhebet die Herzen. Dann singt man das
Sanctus,
Heilig.
Schließlich tritt der Priester in den eigentlichen Messkanon ein. In den Messbüchern ist dessen Beginn mit dem
Te igitur, clementissime pater
…
rogamus,
dich aber, gütigster Vater … bitten wir, immer aufwändig ausgestaltet, weshalb bei Ausstellungen meistens diese Seite aufgeschlagen ist (Abb. 25).
Bei den Wandlungsworten handelt es sich formal um einen Bericht von der Einsetzung des Sakraments am Gründonnerstag. Sie lauten nach dem Evangelium «das ist mein Leib» bzw. «mein Blut» (Mt 26–28; Mk 14, 22–24). Lukas (22, 19) fügt noch hinzu: «Tut
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