Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
Darstellungen von Kaiser Maximilians Turnierkämpfen orientieren sich an einem zeitgenössischen Fechtbuch. Der «letzte Ritter», als der er sich darstellte, und seine Turnierpartner trainierten hart. Für den Ernstfall beschäftigte sich Maximilian aber intensiv mit der neuen Technologie der Kanonen. Zur Belagerung von Kufstein 1504, wo mehr als 26 Geschütze eingesetzt waren, wurden hochrangige Beobachter eingeladen.
Vieles, was in unseren Köpfen das Bild des Mittelalters ausmacht, stammt aus dem «Herbst des Mittelalters», wie Johan Huizinga das 14. und 15. Jahrhundert in seinem 1919 veröffentlichten Hauptwerk treffend charakterisierte. Die Romantik des 19. Jahrhunderts hatte die ideologisch stark aufgeladenen Bilder aus dem Mittelalter begeistert aufgegriffen. Es gab wohl eine mentale Verwandtschaft: So, wie viele Menschen sich gegen die Folgen der Industrialisierung auflehnten, hatten sich im späten Mittelalter viele Menschen aus Krieg, Not und Elend in Inszenierungen einernostalgischen Rückschau geflüchtet. Das Buch von Huizinga erschien nicht zufällig unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, als erneut der Zusammenbruch einer Kultur bewältigt werden musste.
V Fest – Turnier – Krieg
F este akzentuieren den Alltag. Im Jahres- und Lebenskreis geben sie fast allen Menschen einerseits die Möglichkeit, aus dem Alltag herauszutreten; andererseits geben sie die Gelegenheit, den eigenen Status und die soziale Stellung öffentlich darzustellen. In Chroniken und Romanen sind sie zugleich Deutungen der gesellschaftlichen Strukturen, zeigen die Propaganda der Mächtigen, die bei Festen zum Ausdruck kommt, und dienen als didaktische Richtschnur für die Leserinnen und Leser. Die Rollen von Akteuren und Publikum vermischen sich häufig, aber mit dem Fortschreiten der Zeit wird die Trennung dieser beiden Sphären zunehmend deutlicher.
Kirchenfeste
Uns mögen die Feste im Lebenskreis am nächsten stehen und dann die Feste mit gesellschaftlichem oder politischem Charakter einfallen. Von den Festen im Jahreskreis sind nur mehr die wichtigsten übrig geblieben, teilweise ihres Sinnes entleert. Die Kirche hat viele Darstellungsformen und Anliegen aus dem Alltag der Menschen übernommen, aber auch nahezu allen Festen ihren Stempel aufgedrückt. Diese Wechselbeziehung gilt ebenso für die Musik, wo manchmal die gleichen Melodien verwendet wurden, und sogar für das Theater: Die Kirchenoper nimmt ihren Ausgang von den Osterspielen.
Die Messfeier, der Spiegel aller Feste
Der Festkreis der Kirche hat seinen Kern in der Feier der Eucharistie, des Abendmahles. Im Jahreskreis werden in den Lesungen zur Messe das Wirken und die Passion Jesu vorgestellt. Die Abendmahlfeier selbst ist im Kern ein Nachvollzug der biblischen Szene am Donnerstag vor Ostern, heute Gründonnerstag genannt. Das Wort kommt übrigens von «greinen», d.h. weinen, und nicht von der Farbe grün.
Die Messe hat sich von einem gemeinsamen Liebesmahl der frühen Christen (Agape) zu einem festgefügten Ritus entwickelt. Dessen Grundstruktur samt dem Plan für die Lesungen und der Rolle der Musik war etwa zur Karolingerzeit ausgereift und blieb verbindlich bis zu den liturgischen Anpassungen des 2. Vatikanischen Konzils 1962–1965.
Heute begegnet man einzelnen Objekten der Liturgie in Ausstellungen und Museen und hört Elemente der Messen in musikalischen Aufführungen. Dennoch ist ihre jeweilige Herkunft heute nicht jedem geläufig. Vielleicht hilft dieses Kapitel, sie in ihren ursprünglichen kulturellen Kontext einzuordnen.
Die Kleidung des Priesters ist voll Symbolgehalt. Beim Anlegen wechselt er sozusagen seine Identität, von der Person zum Amtsträger. Häufig erwähnt werden der Amikt, das ist ein Schultertuch (Humerale, von lat.
humerus,
Schulter), das eine Art Kragen bildet, aber auch über den Kopf gezogen werden kann, die Albe, ein leinenes weißes Untergewand in Tunika-Form, absichtsvoll ähnlich dem Taufkleid, die Stola, die um den Hals liegt und in manchen Zeremonien als «leichtes Joch» (Mt 11, 30) ein Symbol für das Priestertum darstellt, und die Kasel, die Oberbekleidung aus einem Stück, die jedoch, sichtbar beim Ausbreiten der Arme, einen Vorder- und einen Rückenteil hat.
Der Einkleidung des Priesters entspricht die Vorbereitung zu einem höfischen Fest, bei dem die standesgemäße Kleidung von großer Bedeutung war. Man schlüpft in eine gesellschaftliche Rolle.
Während der Einkleidung werden vorbereitende Psalmen gebetet.
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