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Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Titel: Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Brunner
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Ostern ist im Christentum von besonderer Bedeutung. Am Palmsonntag gedenkt man des Einzugs Christi in Jerusalem mit einer förmlichen Prozession, die Gelegenheit bietet, das gesellschaftliche Gefüge darzustellen. Nicht selten wurde der Tag genutzt, um einen feierlichen Einzug eines Fürsten oder Bischofs zu veranstalten.
    Der Armendienst am Gründonnerstag, nach dem Vorbild der Fußwaschung Christi an den Aposteln (Joh 13), machte die Bedeutung der Armenfürsorge vor dem versammelten Klerus sichtbar. Am Karfreitag schwiegen auch damals schon, als Zeichen der Trauer, die Glocken und alle Metallgeräte, mit denen sonst zum Gottesdienst gerufen wurde.
    Seit dem Karfreitag hatte die Eucharistie an einem besonderen Ort geruht, von dem sie am Ostersonntag feierlich wieder eingeholt wurde. Das war ein zentrales Element der theatralischen Gestaltung, die um das christliche Osterfest entstand. Beim Ostermahl verteilte der Bischof persönlich Stücke des Lammes und vom Speck, die er bei der Messe geweiht hatte, an die anwesenden Mitglieder der bischöflichen Familia, d.h. die von ihm als Herrn abhängigen Personen. Daraus entstand die österliche Speisenweihe. Die Bauern hatten vor den Feiertagen Lämmer und Eier anzuliefern, aber auch die vornehmeren Mitglieder der Familia und befreundete Adelige kamen nicht ohne Ostergeschenk. Die Herren gaben auch ihrerseits Geschenke aus.
    Musiker begleiteten das Festmahl. Die Lieder der Feiernden hatten wohl nur am Anfang geistliche Themen, gegen die Tänze haben jahrhundertelang Moralisten vergeblich gewettert. In der Liturgie am Ostermontag segnete der Bischof in besonderer Weise das versammelte Kirchenvolk. Die ganze Osterwoche galt als Festwoche, in der auch in den strengsten Klöstern der Speisezettel opulenter war und es zusätzlich Wein zu trinken gab.
    Der Tag des heiligen Georg am 23. April war wieder ein wichtiger Zins- und Gerichtstag. Die Frühjahrsarbeit sollte bis dahin im Wesentlichen abgeschlossen sein. Wie Georg – erst in der Kreuzzugszeit – zum Drachen kam, den er vielleicht vom Erzengel Michael übernahm, ist nicht ganz klar.
    Zwischen Ostern und Pfingsten fanden die meisten politischen Versammlungen und Feste statt. Eine größere Zahl von Menschen und ihre Reittiere konnten jetzt ernährt werden; bis zur Heuernte war in der Landwirtschaft nicht viel zu tun. Das Pfingstfest findetam fünfzigsten Tag nach Ostern statt und hat daher seinen Namen bezogen (Πεντηκοστ, Pentēkostē [hēmera], der fünfzigste [Tag]). Zehn Tage davor ist Christi Himmelfahrt, immer an einem Donnerstag. In der Woche vor Christi Himmelfahrt finden die Bitttage statt: Die Bauern haben ihre Pflicht getan, um die neue Ernte zu sichern, nun kam es auf den höheren Segen an, damit sie gedieh.
    Der Juni war der Heumonat. Am 24. Juni findet das Fest Johannes des Täufers statt. Zwei Wochen davor sollte wieder gefastet werden. Es war ein Hochfest, doch nicht bloß wegen der Bedeutung dieses Wegbereiters Christi. Es war die Zeit des Mittsommerfestes, das ganz besonders in keltischen Ritualen eine überragende Rolle spielte. Christliche Autoren berichten nicht gerne darüber.
    Zu Peter und Paul, am 29. Juni, wurden Adelige manchmal noch für politische Geschäfte oder Rechtsfragen zu Hof gerufen. Die Anlässe gingen aber nach Pfingsten deutlich zurück. Auch hohe Adelige kehrten heim auf ihren Besitz und verteilten ihre Gefolgsleute auf die Güter, damit sie bei der beginnenden Ernte helfen oder Aufsicht führen konnten. Es gibt eigentlich keine Sommerdichtung im Wortsinn in der mittelalterlichen Jahreszeitenlyrik; wenn etwas «Sommerlied» heißt, blühen noch die Blumen in der Wiese, die aber bald nach Pfingsten gemäht wird. Im Juli fanden keine Gerichtsversammlungen statt, und es gibt keine besonderen Feiertage. Niemand sollte von der Arbeit abgehalten werden.
    Petri Kettenfeier am 1. August läutet ein neues Lebensgefühl ein. Ein Teil der Ernte ist eingebracht, das Überleben für ein weiteres Jahr gesichert. Jetzt geht es um Fülle und Freude. Das Marienfest Mitte August, Mariä Himmelfahrt, ist vielleicht das älteste Fest der Gottesmutter. Es ist ein Dank- und Bittfest zugleich und verbindet sich seit dem 10. Jahrhundert mit der Kräuterweihe. Auch Mariä Geburt am 8. September ist ein altes Fest; es wurzelt in einem apokryphen Evangelium, dem Protoevangelium des Jakobus. Die außerhalb des offiziellen Kanons der Evangelien überliefertenGeschichten über Maria, ihre Eltern und

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