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Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Titel: Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Brunner
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«mitleiden». Das betraf auch die Verteidigung; Mauern, Tore und Türme waren zu errichten und zu erhalten. An den Toren und auf den Türmen mussten Wachmannschaften eingesetzt werden, auch zur Feuerwache. Die Bürger mussten sich selbst ausrüsten und/oder Leute anstellen und ausrüsten, die die militärischen Aufgaben im Ernstfall übernahmen und sich durch regelmäßiges Training darauf vorbereiteten. In den «Zeughäusern» und Museen sind heute unter anderem prächtige Waffen zu sehen, die vornehmlich der Repräsentation dienten, wie z.B. die wundervoll bemalten Setztartschen, bis zu mannshohe Holzschilde. Schon ihr Erhaltungszustand spricht dagegen, dass sie in einem Krieg zum Einsatz kamen.
Der Dichter und Beobachter
    Wir haben das Glück, dass eine ausführliche Stadtschilderung von Wien aus der Feder eines der bekanntesten Humanisten seiner Zeit überliefert ist: von Aeneas Silvius Piccolomini, dem späteren Papst Pius II., in seiner «Historia Austrialis» (I 1–3), geschrieben um 1450/51. Aeneas wurde in der Nähe von Siena geboren und hat dort studiert, lernte aber dann auf seinen weiten Reisen viele verschiedene Städte kennen, bis er als Sekretär Kaiser Friedrichs III. nach Wien kam. Der Kaiser krönte ihn zum
poeta laureatus,
lorbeerbekränzten Dichter. Er empfing erst in Wien die Weihe zum Subdiakon, und wir haben gute Gründe anzunehmen, dass ihm das weltliche Leben nicht fremd war.
    Wien ist also an der Donau gelegen … ihr Mauerring umfasst zweitausend Schritte
[ca. 3 km, in Wirklichkeit fast 5 km],
aber sie hat überaus große und umfangreiche Vorstädte, die von Gräben und Wällen umgeben sind
[die Befestigung der Vorstädte war ganz neu].
Die Stadt selbst ist durch tiefste und breiteste Gräben befestigt, dann durch einen sehr hohen Wall, danach durch dicke und hohe Mauern mit zahlreichen Türmen aus behauenem Stein und mit Wehren, die für die Verteidigung im Krieg geeignet sind.
    Die öffentlichen Bauten sind mit unglaublichem Aufwand errichtet, die königlichen nach der Art einer Burg erbaut, mit Sälen, Speiseräumen, Zimmern und dem, was sie «Stuben» nennen, von wunderbarer Größe und mit überaus reichem Schmuck. Als Stuben bezeichnen die Deutschen Räume, in denen in der Winterzeit in Öfen erzeugte Wärme gegen die Kälte des Nordwinds eingesetzt wird.
    In einer anderen Version des Geschichtswerkes geht er genauer auf die Bürgerhäuser ein und kommt dabei wieder auf die Stuben zu sprechen; der Südländer muss ziemlich gefroren haben: Die Häuser der Bürger seien geräumig und mit reicher Ornamentik versehen, dabei aber in ihrer Anlage solide und fest. Überall fände man gewölbte Torgänge und breite Höfe. Aber an Stelle der Triklinien(Speise- oder Schlafzimmer, auf Burgen Kemenate) habe man hier heizbare Zimmer; nur auf diese Weise bewältige man des Winters Strenge.
    Abb. 23: Wien um 1470, Ausschnitt aus dem Schottenaltar
    Zu seinem Glück hat er keinen der furchtbaren Stadtbrände miterlebt, von denen die Menschen recht häufig heimgesucht wurden. Selbst die Dächer der Bürgerhäuser waren nur zum Teil mit Ziegeln gedeckt, wie Aeneas kritisch bemerkt, viele Nebengebäude wohl nur mit Stroh. Auf manchen Städtebildern erkennt man deutlich, dass die Schindeln rot angemalt wurden, um wie Ziegeln auszusehen.
    Fenster und Glas – das im 15. Jahrhundert zunehmend verwendet wurde – ließen von allen Seiten das Licht durch, die Tore seien meist aus Eisen. In ihnen hingen, so schreibt er, sehr viele Singvögel.
Das Gerät in den Häusern ist reichlich und proper. Für Pferde und Lastvieh aller Art hat man geräumige Ställe. Die hohe Front der Häuser gewährt einen prächtigen Anblick. Nur das macht einen unschönen Eindruck, dass man die Dächer meist mit Holz deckt, nur wenige mit Ziegeln. Im Übrigen bestehen die Häuser aus Steinmauern.
[Das kontrastiert wohl mit dem Fachwerk, das Aeneas anderswo gesehen hat.]
Innen und außen erglänzen die Häuser von weißem Anstrich. Innen und außen sind die Häuserbemalt; tritt man in ein beliebiges Haus, so glaubt man in den Palast eines Fürsten gekommen zu sein.
    Dazwischen schildert er die Kirchen, besonders die Stephanskirche mit ihrem hohen Turm, und die Reliquienschätze, und fährt folgendermaßen fort:
    In den Häusern der gewöhnlichen Bürger aber, die mit hervorragender Großzügigkeit errichtet sind, fehlt es an keinem Schmuck, keiner Bequemlichkeit, und obwohl sich viele private Gebäude bis zum zweiten und

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