Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Titel: Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Brunner
Vom Netzwerk:
waren die 14 Nothelfer, denen im Spätmittelalter zahlreiche Kirchen geweiht wurden. Drei davon nennt der volkstümliche Merkspruch: «Margareta mit dem Wurm (Drachen), Barbara mit dem Turm, Katharina mit dem Radl, das sind die drei heiligen Madl.» Margareta ist für die Gebärenden, Barbara für die Bergleute und Katharina für Schulen und Gelehrte zuständig.
    Wohlhabende Leute konnten für Bitt- und Dankwallfahrten auch mehr oder minder professionelle Stellvertreter engagieren. Daneben gab es Bußwallfahrten, zu denen Delinquenten je nach der Schwere ihres Verbrechens verurteilt wurden.
Reisende und Straßen
    Guane cumetger, brothro?
Wo kommst du her, Bruder? Das ist eine Frage aus einem kleinen Handbüchlein für Romanen, die in Länder germanischer Sprache reisen wollten, die sogenannten Pariser Gespräche aus dem 9. Jahrhundert. «Ich war in der Francia», in der Île de France. «Wo hast du geschlafen?» «Im Haus des Grafen.» Es folgen Flüche auf den Knecht, Warnungen davor, mit der falschen Frau zu schlafen, und Anleitungen, wie man etwas zu essen und zu trinken bekommt. Die Ausrüstung wird beschrieben: Pferd, Schild, Speer, Schwert, Handschuhe, Stab, Messer. Auch eine Kerze konnte der Reisende gebrauchen.
Trenchet cher guole in gotes minne in aler goten helien minne, sancte Maria frauve und der ihuer mine hu,
trinkt in der Liebe zu Gott, in aller Heiligen Liebe, in der Liebe zu Sankt Marien, unserer Herrin, und in der Liebe zu euch» (Übersetzungen nach Haubrichs), so lautet der formelle Trinkspruch.
    Es sind nur wenige solche Texte erhalten. Berühmt sind auch die sogenannten Kasseler Glossen (um 810), die unter anderem die Langlebigkeit der Vorurteile bezeugen:
Stulti sunt Romani, sapienti sunt Paiori, modica est sapienti in Romana, plus habent stultitia quam sapientia,
in der Volkssprache:
Tole sint Uualhâ, spâhesint Peigria; luzîc ist spâhi in Uualhum, mêra hapênt tolaheitî denne spâhi.
Dumm sind die Welschen, klug die Bayern. Klein ist die Klugheit bei den Welschen, sie haben mehr Dummheit als Klugheit.
    Wer ist, außer den schon genannten Pilgern, am häufigsten unterwegs? Wir sind in diesem Bändchen den meisten schon begegnet. Adelige sind viel unterwegs, zur Ausübung ihrer Pflichten und Rechte bei Gerichtssitzungen und Hoftagen, zu Kämpfen und Kriegen oder schlicht, um – vor allem in Zeiten der Naturalwirtschaft – ihr Einkommen abzuschöpfen. Viele Familien und Klöster haben ihre Besitzungen entsprechend verteilt, um möglichst oft auf eigenem Grund logieren zu können, und subventionieren gezielt geistliche Einrichtungen, in denen sie unterkommen können.
    Im Herbst 1203 war Bischof Wolfger von Passau, der 1204 dann Patriarch von Aquileja wurde, zu einer routinemäßigen Visitationsreise in seinem Donaubistum unterwegs, wovon uns Rechnungsnotizen über seine Ausgaben erhalten sind. Am 10. November 1203 erhielt, wie erwähnt, Walther von der Vogelweide nach dieser einzigartigen Quelle vom Passauer Bischof Geld
pro pellico,
für einen Pelzmantel (vgl. S. 48).
    Ständig trafen beim Bischof Boten aus allen Himmelsrichtungen ein oder er schickte welche aus. Am 22. September 1203 gab der Bischof in St. Pölten einem Boten des ungarischen Königs eine Summe
pro tunica,
für einen Umhang, und löste ihm ein Pfand aus; dem Boten war offenbar das Geld ausgegangen. Am selben Tag bekam ein Bote aus Böhmen Botenlohn. Ein weiterer traf ihn kurz darauf in Znaim, in Weitra trafen Boten des Königs und des Markgrafen von Landsberg ein. Dann kam einer aus Passau, der einen jungen Hund mitbrachte. Im Oktober mussten dem Boten von Zähringen die Beinschienen gerichtet werden; er und ein anderer Bote eines bayerischen Grafen erhielten relativ hohe Summen, ebenso ein Bote des Erzbischofs. Daneben werden noch
cursores,
Läufer, des Bischofs selbst erwähnt.
    Man muss sich vorstellen, welchen Aufwand die Boten zu treiben hatten, um herauszufinden, wo ihr Adressat gerade war. Bote zu sein war ein geachteter, aber anstrengender Beruf. Die Boten hatten selten allzu viele Schriftstücke bei sich, meist gerade so viel Text, dass er als eine Art Ausweis gelten konnte. Wichtiger war in der Regel, was sie mündlich vortrugen. Ihr Beruf konnte gefährlich werden, aber es muss für sie als Einzelpersonen leichter gewesen sein, ans Ziel zu kommen, als für einen adeligen oder geistlichen Herrn. Der Abt von Cluny, Petrus Venerabilis († 1156), entschuldigt sich einmal nicht nur mit seiner Krankheit,

Weitere Kostenlose Bücher