Kleine Luegen erhalten die Liebe
beispielsweise«, sagt er im Ton eines Mannes, der nichts zu verbergen hat. »Nach Vegas zu fliegen war eins der Dinge auf der Liste. Aber wie du dich erinnern wirst, hatten wir da gerade erst begonnen, miteinander auszugehen.«
Karen runzelt die Stirn, und Fraser fährt fort, bevor sie über Einzelheiten oder Dates zu reden anfängt.
»Und was noch? Nun ja, eher unwichtige kleine Dingewie zu lernen, mit Stäbchen zu essen oder zu meditieren … Anna übernimmt das, und wahrscheinlich steht sie deshalb so auf diesen Steve. Du weißt schon, plötzlich macht sie einen auf Buddhistin und verbringt das ganze Wochenende in absolutem Schweigen. Und das, obwohl sie vor sechs Monaten nicht mal für zehn Sekunden ihre Klappe hätte halten können!«
Fraser lacht, und Karen stimmt ein, und er denkt: Puh! Dem Himmel sei Dank; das war knapp! Aber dann verblasst ihr Lächeln, und ihre hellbraunen Augen verdunkeln sich vor Sorge.
»Dann ist das also alles?«
»Ähm, ja … so ziemlich. Da sind noch ein paar andere Kleinigkeiten.« (Kleinigkeiten? Er redet, als handelte es sich um einen Trödelmarkt-Verkauf!) »Mia lernt eine Fremdsprache. Ich glaube, ich muss irgendwann mal alle Scrabble-Buchstaben auf einen Schlag verbrauchen, und dann ist da noch die Sache mit der Chinesischen Mauer – erinnerst du dich, wie Norm im Pub einmal die ganze Zeit davon geschwafelt hat? Aber darauf lasse ich mich nicht ein, das kann ich mir nicht leisten …«
Halt die Klappe, Mann! Sofort!, befahl er sich. Hör auf, solange du noch einen Vorsprung hast!
»Ja, und das war’s auch schon, denke ich.«
KLAPPE!
Doch er ist schon drauf und dran, wieder loszulegen, weil er fürchtet, was geschehen könnte, wenn er aufhört. Aber dann seufzt sie plötzlich.
»Weißt du was?«, sagt sie. »Komm her …« Und sie steht auf, kommt um den Tisch herum und nimmt Fraser in die Arme.
»Du bist so süß, Schatz, weißt du das?« Und sie drückt ihn an sich. »Du bist so tiefgründig und gefühlvoll … und genau das liebe ich so an dir, mein Schatz.«
Ihr »Schatz« fragt sich, wann er sich endlich auf den Weg zur Arbeit machen kann.
♥
Mia erscheint früher als verabredet im Park. Da Melody frühestens in einer Viertelstunde kommen wird, lehnt sie, noch ganz außer Atem von der Fahrt bergauf, ihr Rad an Livs Bank und nimmt ihren Rucksack ab. Es ist diesig heute, eine Reihe sonnendurchfluteter Wolken schwebt über dem Horizont, doch dahinter ballen sich dunklere zusammen, die unmittelbar bevorstehenden Regen ankündigen.
»Hi, Liv, sieh mich an – der Gipfel körperlicher Fitness, was? Ich habe dir was mitgebracht.« Mia greift in ihren Rucksack und tastet nach ihrem »Mitbringsel« – sie weiß nicht, wie sie es sonst nennen soll –, das sie gestern gekauft hat: eine rechteckige, mit Steinen und Pflanzen gefüllte Keramikschale.
Sie stellt sie auf den Boden.
»Frag nicht!« Die Frau in dem Laden hatte sie als »Herbstkomposition« bezeichnet.
»Wow, ein Jahr schon wieder, nicht?«, sagt Mia, als sie sich setzt. »Und so viel zu erzählen! Also zunächst mal die Liste, mit der alles sehr gut läuft. Na ja, mehr oder weniger jedenfalls. Ich habe dir auch das hier mitgebracht.« Sie nimmt das Foto heraus, das sie alle an Billys Geburtstag in Melodys Garten zeigt. »Wie du siehst, sind meine Speckröllchen am Bauch mehr als offensichtlich, aber ich sag den Leuten immer: ›Ich habe gerade ein Kind bekommen.‹ Ich frag mich nur, ob ich damit noch durchkommen werde, wenn Billy sieben ist – was meinst du?«
Mia sieht sich das Foto an. Jemand fehlt, und erst nach ein paar Sekunden wird ihr klar, dass dieser Jemand Liv ist. Daspassiert ihr immer noch von Zeit zu Zeit: dass sie plötzlich begreift, dass es für immer ist und man damit fertigwerden muss wie mit einem Loch im Herzen. Sie schluckt. »Und sicher willst du wissen, wie es der Clique geht?« Wie jemand, der seine alte, kranke Mutter besucht, erzählt sie gern von allen »Familienmitgliedern«, wenn sie zu Livs Bank kommt. »Nun, Anna lernt zu meditieren wie auf deiner Liste angegeben, aber wir sind ein bisschen besorgt um sie, weil sie es reichlich übertreibt. Sie trifft sich jetzt mit einem Typen namens Steve, der ihr Blödsinn über Karma, Reinkarnation und so weiter in den Kopf setzt, und sie ist ein bisschen seltsam geworden, um das Mindeste zu sagen. Heute zum Beispiel: Es ist ein schwerer Tag für uns alle, aber sie hat sich mit Steve (oder Buddhist-Steve, wie wir ihn
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