Kleine Luegen erhalten die Liebe
dreht ihr den Magen um.
Sie linst zwischen den Fingern hindurch. »›Hübsch‹ ist nicht das Wort, das ich benutzen würde. ›Furchterregend‹ trifft es eher, finde ich.«
»Wie kann man nur so prüde sein! Sprich damit!«, sagt Melody.
»Was?«
»Sag etwas: schneller, schneller … Oder: langsamer, langsamer …«
»Igitt! Nein!«
»Oh, Herrgott noch mal! Schneller, schneller«, sagt Melody, und plötzlich beginnt der Vibrator, sich zu drehen und zu vibrieren.
»Mein Gott, das ist ja wie in ›Der Exorzist‹ ! Tu das Ding weg, Mel! Es ist eklig, richtig eklig.«
»Es ist ein sprachgesteuerter Vibrator.«
»Es ist abscheulich, dieses Ding.«
Melody kichert ungerührt. »Und dann habe ich noch das hier.« Sie zieht eine rot-schwarze Korsage heraus.
»Na ja, das geht schon eher. Ich kann mir vorstellen, dass du wie eine Burleske-Tänzerin darin aussehen wirst.«
»Und das«, sagt Melody stolz und hält pinkfarbene Plüsch-Handschellen hoch.
Mia lacht, aber nur, weil ihr nichts dazu einfällt. »Wow, du bist ja wirklich voll darauf abgefahren! Fast so, als würdest du einen echten Pornofilm drehen.«
Melody seufzt, und ihr rundes Gesicht wird plötzlich ernst. »Ich will nur, dass es gelingt, Mia. Und dass Norm mich … begehrt. Ist das so lächerlich?« Sie sieht ihre Freundin an.
»Nein, das ist überhaupt nicht lächerlich.«
»Ich möchte, dass dieses Wochenende etwas ganz Besonderes wird. Ich habe acht Pfund dafür abgenommen, weißt du?«
»Und du siehst fabelhaft aus«, sagt Mia.
»Ich habe alles ganz genau geplant, bis in die kleinste Einzelheit.«
Eine Pause entsteht. Ihre Blicke gleiten über die Stadt und über den Fluss. Dann seufzt Mia und stößt ihre Freundin schelmisch in die Seite.
»Hey, erinnerst du dich an die South-Road-Zeiten?«
»Wie meinst du das?«
»Was ich meine, ist, dass ihr beide dort andauernd … zugange wart. Eure dreistündigen Sessions zu Sade – ich kannte den Text von Your Love is King schon auswendig, und ich lebte nicht einmal bei euch. Erinnerst du dich an die Schokoladeneis-Massagen und die Erdbeeren in der Dusche , junge Frau?«
Melody lacht. »Ich fasse es nicht! Wieso hast du davon gewusst?«
»Ich habe meine Quellen.«
»Fraser?«
»Seine Quellen verrät man nicht.«
♥
In einem Studio in der Nähe der Old Street in London hält Fraser ein Mikrofon über Tracey, ihr heutiges »Tena Lady«-Model, die gerade in einem hautengen Trikot und Strumpfhosen auf dem Boden liegt und Beckenübungen vorführt.
»Wann wirst du uns deine Salsa-Schritte zeigen, Fraser? Deine Aufwärmübungen?«, flüstert Declan, Chef-Tonmeister und Allround-Nervensäge, was Fraser anbelangt. »Die müssen doch interessanter sein als diese Übungen.«
Da hat er nicht ganz unrecht, denkt Fraser, denn Tracey scheint sich eigentlich überhaupt nicht zu bewegen. Es ist nur so, dass Declans und Johns Sticheleien bezüglich der Salsa-Stunden nicht mehr witzig sind und ihn allmählich mächtig nerven.
»Das Großartige an Beckenübungen«, sagt Tracey gerade, »ist, dass niemand merken muss, dass Sie sie machen. Sie können es tun, während Sie an Ihrem Schreibtisch sitzen oder das Geschirr spülen, ja sogar, wenn Sie an der Bushaltestelle stehen oder auf die U-Bahn warten.«
Fraser glaubt nicht, dass er Frauen an der Bushaltestelle je wieder mit denselben Augen sehen wird.
»Sie hätten dich als Model nehmen sollen, Declan«, sagt er. Seit etwa drei Monaten hat er immer mal wieder mit Declan zusammengearbeitet, ist aber trotz größter Bemühungen zu dem Schluss gekommen, dass er ihn nicht leiden kann. Er istein bissiger, elender alter Bastard mit Napoleon-Komplex. »Du bist doch eigentlich genau im richtigen Alter für Blasenschwäche und Prostata-Probleme, nicht?«
»Und du ein frecher Bengel«, zischt Declan ihm ins Ohr. »Als ich in deinem Alter war, bin ich Gorbatschow um die ganze Welt gefolgt, nach Angola gereist, um Dokumentarfilme für Panorama zu machen …«
»Ich weiß«, unterbricht ihn Fraser. »Das erzählst du mir nicht zum ersten Mal.«
»Genau. Ton, wir sind bereit! Ein letztes Mal. Fraser, kannst du einfach nur dafür sorgen, dass dieses Mikro auch wirklich im Oberteil des Trikots steckt?«, fragt Brett.
Mikrofone in den Oberteilen fremder Leute zu befestigen ist der Teil des Jobs, den Fraser am meisten hasst. Besonders bei Frauen wie dieser. Das Model oder »die Künstlerin«, wie sie sich gern bezeichnen lässt, ist eine drahtige
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