Kleine Luegen erhalten die Liebe
merkt, wie nervös sie auf Livs Bank herumrutscht.
Zum Glück hört sie von irgendwo unterhalb des Hügels eine vertraute Stimme, die sich anhört wie ein Nebelhorn.
»WOODHOUSE!«
Sie dreht sich um, und das Erste, was sie von Melody sieht, ist ihr beachtliches Dekolleté, bevor der Rest von ihr erscheint.
»Das erste Anzeichen von Wahnsinn sind Selbstgespräche, weißt du?«
Mia mustert ihre Freundin mit zusammengekniffenen Augen. Und das zweite ist, wie eine Brautjungfer gekleidet in den Park zu gehen, denkt sie.
Mia steht auf und geht auf Melody zu. Als sie sie erreicht, begrüßt Melody sie mit einer seltsamen Umarmung, die keinen Hautkontakt einschließt.
»Hey, Süße! Das ist Sprühbräune!«, erklärt sie strahlend. »Kein Hautkontakt für eine Stunde, sagten sie. Ich habe es gerade machen lassen und werde deshalb stehenderweise an deinem Picknick teilnehmen müssen.«
»Du machst Witze.«
»Nein, es ist mir völlig ernst.«
»Dann muss ich dich mit den Schottischen Eiern, die ich gekauft habe, füttern? Im Stehen?«
»Nein, nein, meine Hände kann ich schon benutzen. Siehst du – die Handflächen sind unberührt«, sagt sie und schwenkt die Hände. »Ich darf mich nur nicht hinsetzen. So werde ich die Eier zwar überall auf dem Kleid haben, doch zum Glück ist die Farbe ähnlich – gefällt sie dir?«
In letzter Zeit sind Melodys Spleens und Extravaganzen sehr stark in den Vordergrund gerückt. Beispielsweise hat sie eine ganz neue Leidenschaft für »Gesichtsyoga« entdeckt – alle Berühmtheiten frönen diesem »Gesichtssport« offenbar, wenn man ihr glauben darf. Erst letzte Woche hat Mia versucht, zehn Minuten lang eine ernste Miene zu bewahren, während Melody ihr Gesichter vorführte, die wie ihr Repertoire für die Weltmeisterschaft im Grimassenschneiden aussahen. »DeinLachen wird man vor lauter Falten nicht mehr sehen können«, bemerkte sie, »während ich mit sechzig noch Wangenknochen haben werde, auf denen man Schinken schneiden könnte.« Melody macht alle möglichen seltsamen Diäten, wie nur rohes Essen oder gar kein Essen, gibt diese lächerlichen Verkaufspartys für Küchenmaschinen und taucht jetzt zu einem Picknick in einem Minikleid aus pfirsichfarbenem Satin und mit aufgesprühter Sonnenbräune auf. Mia fragt sich, was aus ihrer Freundin geworden sein mag, die früher grundsätzlich nur schwarze Pullover trug.
»Wow, Darling, du siehst … du siehst …«
»Weiter! Welche Größe?«, fragt Melody und lächelt geschmeichelt.
Oh, oh, das ist ein gefährliches Terrain, denkt Mia. »Ich weiß nicht … Vielleicht sechsunddreißig?«
»Achtunddreißig, aber es ist etwas zu weit am Rücken … Siehst du! Ich könnte meinen ganzen Arm hineinstecken!« Sie dreht sich um, damit Mia sich mit eigenen Augen davon überzeugen kann, dass sie ihren Arm hineinstecken kann.
»Okay, okay«, sagt Mia schnell, »ich glaube dir. Verrenk dir nicht den Arm!«
»Es ist ein bisschen übertrieben für den Park – ganz zu schweigen vom Gericht heute Morgen –, aber ich dachte: Pah, ich habe einiges abgenommen, und es ist ein besonderer Anlass, und Liv würde es bestimmt gefallen.« Sie lächelt Mia traurig an. »Wie geht es ihr, was denkst du?« Dann zeigt sie auf die Bank. »Los, wir setzen uns, ich pfeife auf die Bräune. Und komm her und umarm mich mal! Ich muss dir etwas zeigen.«
Zehn Minuten später, nach Schottischen Eiern und Schinkensandwichs, bezweifelt Mia, dass dieses Picknick noch bizarrer werden kann, als Melody eine Plastiktüte von Ann Summers aus der Handtasche nimmt und sagt: »So, und jetzt schaudir mal an, was ich hier habe! Ich war einkaufen. Für Norms und mein Pornowochenende.«
Mia hält sich die Augen zu. »Oh Gott, wenn es Analkugeln sind, schau ich nicht hin! Zu allem, was mit ›Anal‹ beginnt, sage ich: ›Nein, das kannst du dir in den Hintern schieben.‹«
Melody kichert. »Es sind keine Analkugeln, du Spinner! Ein bisschen Geschmack habe ich ja wohl noch. Nein, schau doch mal, ist der nicht hübsch?« Melody zieht einen goldenen Vibrator aus der Tüte.
Mia hat Sexspielzeug noch nie gemocht. Seit sie an einem Dokumentarfilm über Swinger-Clubs und ihre Besucher mitgearbeitet hat, bringt der Anblick von Sexspielzeug Erinnerungen an fette, in Gummi-Catsuits gequetschte Frauen zurück, die ganze Zimmer voller flauschiger Handschellen, Gleitmittel (war das nicht eins der widerlichsten Dinge auf der Welt?), Vibratoren und dergleichen hatten … Es
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