Kleine Luegen erhalten die Liebe
Jahre alt waren.«
»Wirklich? Mein Gott, wie schön!«
»Wir fuhren auch zusammen in Ferien und gingen mit unseren Ehemännern tanzen. Und später, als wir alte Damen waren«, Mrs. Durham lachte, und Mia stimmte ein, »spielten wir regelmäßig Scrabble. Mindestens einmal in der Woche spielten wir eine Partie und tranken dazu einen Brandy.«
»Wer war diese Freundin?«, fragte Mia. »Ich würde gern mehr über sie erfahren.«
Mrs. Durham legte eine Hand auf Mias Knie. »Na, Barbara natürlich, Liebes«, antwortete sie, als wäre das selbstverständlich. »Barbara war die beste Freundin, die ich je im Leben hatte.«
KAPITEL NEUNZEHN
November,
London
In einer eisig kalten Nacht Anfang November findet Fraser sich in Soho wieder, in einer eisig kalten Bar und mit einer eisig kalten Flasche Smirnoff Ice vor sich. Nicht, dass er sich beklagt – denn wie die Band Wham! einst sang, »sind die Drinks umsonst«; Smirnoff stellt nämlich heute Abend sein neuestes, koffeinhaltiges Produkt vor. Es ist nur so, dass dies hier kein Club Tropicana, sondern mehr so etwas wie die arktische Tundra ist. Die Bar ist zu einem Iglu umgestaltet worden, mit Eisskulpturen, Eis am Stiel und Barkeepern mit blauen Lippen und weiß besprühtem Haar, die aussehen, als kämen sie geradewegs vom Set von Narnia . Wenn »Eis« das Thema ist, haben die Organisatoren sich selbst übertroffen. Das Problem ist nur, dass Fraser friert. Sich geradezu zu Tode friert. Also hol der Teufel Smirnoff – wo bleibt Norm? Damit sie einen gemütlichen, warmen Pub aufsuchen und an einem prasselnden Kaminfeuer ein vernünftiges Bierchen trinken können!
Fraser steht auf und zieht sein unechtes Bärenfell um sich – auch das ein Werbegeschenk der Firma Smirnoff. Dabei sucht er mit den Blicken den Raum nach seinem Freund ab. Es dürfte eigentlich nicht schwierig sein, ihn in der Menge zu entdecken, da der neue Norm auch eine brandneue Frisur hat: eine im Moment sehr angesagte, seitlich herabfallende Haartolle, mit der er für Fraser aussieht wie mit zwölf. Doch das Lokal ist vernebelt von Trockeneis und wimmelt von ähnlich gestylten Schickimickis: Horden von Mediatypen Mitte zwanzig, den auf keiner Gästeliste fehlenden »Meinungsmachern« Londons, die eine weitere Nacht auf der Gratis-Party-Meile unterwegs sind und irgendwie alle miteinander zu verschmelzen scheinen.
Fraser drängt sich durch die Menge, wobei er seine vierte Flasche Smirnoff Ice über dem Kopf hält und das Cape hochzieht, das ihm immer wieder von den Schultern gleitet. Gibt es diese Dinger nur in einer Größe?
Aus dem Trockeneisnebel taucht eine Bedienung mit falschen weißen Wimpern auf, die wie winzige Eiszapfen geformt sind und zu denen sie ein pelzbesetztes Kleidchen trägt – und ein Tablett mit noch mehr Drinks in ihren schlanken Fingern.
»Hey …«
Sie beugt sich vor und sagt etwas, aber Fraser kann sie über die Musik von Ice Ice Baby , die seit einer Stunde in einem fort gespielt wird, nicht verstehen.
»’schuldigung, was sagten Sie?«
Sie zieht einen Schmollmund und klimpert kokett mit den weißen Wimpern. »Ich sagte, hey, sei nicht so frostig! Nimm ’nen Smirnoff, den perfekten Eisbrecher!«
Ja, ja, die cleveren Sprüche der Promotion-Girls! Fraser lernt immer wieder neue kennen.
Er nimmt eine Flasche, dann noch eine zweite. »Danke, die werde ich bestimmt noch brauchen.« Dann zieht er sein Bärenfell zurecht und geht mit der ganzen Dynamik eines wehleidigen, grippekranken Mannes, der sich, in seine Steppdecke gehüllt, tapfer zur Toilette schleppt.
Während des letzten Monats etwa ist dies für Fraser zu einer ganz normalen abendlichen Beschäftigung geworden, und das mitten in der Woche – vielleicht nicht das Bärenfell und die Iglu-Bar, aber die freien Drinks, die er gar nicht wirklich will,und auf jeden Fall die ständige Suche nach dem irgendwo in der Menge abgetauchten Norm.
Nach der grässlichen Sache mit dem misslungenen Pornodreh hatten Melody und Norm den unbeholfenen Versuch unternommen, ihre Ehe zu retten: in Form einer Dinnerparty, um allen zu zeigen, dass sie »noch zusammen« waren. Diese Party nahm jedoch ein miserables Ende, als die angetrunkene Melody eine Debatte darüber zu beginnen versuchte, ob es nicht »makaber« sei, dass Norm darauf bestand, überall im Haus Fotos von Liv zu haben. Aber alle wussten schon, dass es vorbei war, und vor vierzehn Tagen beendeten sie, formell wie ein Königspaar, Wochen der Spekulation mit der
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