Kleine Luegen erhalten die Liebe
Ankündigung, dass sie sich scheiden ließen.
Norm zog fast unmittelbar danach zu Fraser, und es folgte eine Woche voller Tränen, Bier und Pizza-Lieferungen. Wenn Fraser von der Arbeit heimkam, fand er Norm noch immer bei geschlossenen Vorhängen und Call of Duty spielend vor. Und obwohl es nicht schön war, gar nicht schön, seinen Freund so am Boden zerstört zu sehen, gefiel Fraser diese neue enge Bindung, und er genoss die Verantwortung, die ihm als Norms »Betreuer« zufiel. Doch nachdem der anfängliche Schock jetzt nachgelassen hat, ist Norm gewissermaßen wiedergeboren, und Fraser ist sich gar nicht sicher, dass ihm das auch nur noch halb so gut gefällt.
In weniger als vierzehn Tagen hat Norm seinen Job in Lancaster aufgegeben und ist nach London gezogen, wo er so lange bei Fraser bleiben wird, bis er eine eigene Wohnung findet. Norm hat bei der Zeitschrift Metro angefangen, für die er zu allen möglichen abendlichen Werbeveranstaltungen, Präsentationen oder Galas gehen kann, weil seine Kollegen alle Frauen und Familie haben.
»Das wird super, Frase. Freie Drinks die ganze Nacht, hübsche Ladys … Wer wird sich da beschweren?«, sagte er, als er heimkam und die Smirnoff-Einladung schwenkte – zur zweiten Party in dieser Woche schon, und heute ist erst Mittwoch …
Ach ja, die Freuden des wieder alleinstehenden besten Freundes! Es ist eine ganz neue Welt für Fraser, voller lähmender Brummschädel mitten in der Woche, fremder, leicht verschämter Frauen morgens in seiner Küche und Abende, an denen sie »auf Aufriss« gehen. Fraser war nicht mehr mit Norm »auf Aufriss«, seit sie etwa siebzehn waren, und er findet auch, dass es etwas ist, das man auf seine Zwanziger beschränken sollte. Doch wie Norm ihm immer wieder vorhält, waren sie damals nicht dazu gekommen – und er will seine Zwanziger zurückerobern!
Womit er vielleicht nicht ganz falsch liegt, denkt Fraser, als er ihn schließlich mit einer aufgedreht wirkenden Rothaarigen auf der Tanzfläche entdeckt, wo sie sich eng aneinandergepresst zum Rhythmus der Musik bewegen.
Fraser bleibt am Rand stehen, und während seine Finger um die Flasche Smirnoff langsam taub vor Kälte werden, sieht er seinem Freund beim Tanzen zu und spürt, wie sich sein Herz zusammenzieht. Wahrscheinlich, weil er fühlen kann, dass Norm trotz des neuen Haarschnitts, des neuen Lebens in London und der Scharen von Mädchen, die er in diesem Monat in Frasers Gästebett hatte (unter anderem eine Poppy, eine Kate und eine total verrückte Holländerin, die um drei Uhr morgens wütend abdampfte und Frasers nächstem Nachbarn die Autoreifen aufschlitzte), tief im Innersten noch leidet.
Wie üblich war Norm, der die Dinge gern unter den Teppich kehrt, nicht ins Detail gegangen, was die Ereignisse jener schicksalhaften Nacht in dem Hotelzimmer am See betraf, aber er hatte etwas von einem sprachgesteuerten Vibrator und einem Eisprung gesagt, was detailliert genug für Fraser war.
Im Grunde war es wohl einfach so, dass Norm aufgehört hatte, in Melody verliebt zu sein. Als Freundin war Melody eine lebensfrohe, abenteuerlustige, unkomplizierte junge Frau gewesen. »Das Mädchen, mit dem ich auf Reisen war, Fraser. Die Frau, die nicht mal mit der Wimper zuckte, als ich an Ruhr erkrankte.«
»Stark!«, hatte Fraser zugestimmt. » Das ist eine Frau.«
Als Norms Ehefrau hingegen war Melody so etwas wie ein Abbild seiner Mutter – nur mit spitzeren Absätzen und einer Laura-Ashley-Kreditkarte.
»Ich wusste einfach, dass ich keine Kinder mit ihr wollte«, sagte er. »Ich liebte sie – wir waren immerhin zwölf Jahre lang zusammen –, doch ich war nicht mehr in sie verliebt.«
Und so ist er jetzt hier, »erobert seine Zwanziger zurück«, tut, was er hätte tun »sollen«, als er zu sehr damit beschäftigt gewesen war, sich durch Ikea und andere Einrichtungshäuser schleppen zu lassen. Ja, Fraser weiß es zwar nicht mit Sicherheit, vermutet aber wirklich stark, dass Norm noch immer schrecklich leidet. Die Zukunft, von der man glaubte, sie gehörte einem, hat sich in Luft aufgelöst und ein gigantisches »Was jetzt?« hinterlassen. Das erkennt Fraser an Norms albernem Umherstapfen auf der Tanzfläche, an seinen gehemmten, unsicheren Bewegungen und seiner Unbesonnenheit.
Fraser kennt das, weil es auch ihm schon mal passiert war.
Und ehrlich gesagt, bedauert er die Scheidung auch – genau wie alle anderen. Mia und er haben endlose Telefongespräche darüber geführt,
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