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Kleine Philosophie der Passionen - Radfahren

Kleine Philosophie der Passionen - Radfahren

Titel: Kleine Philosophie der Passionen - Radfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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Deo riechen, wenn man an einer Frau herumschnuppert? Reinigung bedeutet am Ende auch Reinigung von Kosmetik.
    Die Transpiration gehört zu jenen unglaublichen Intelligenzleistungen unseres Körpers, von denen er bekanntlich einige in petto hat. Nicht nur, dass er sich damit bei Temperatur und Laune hält, er säubert sich auch von dem Unrat, den sein Besitzer in ihn einfüllt, um seinem Leben eine gewisse Großartigkeit zu verleihen. Zum Beispiel jenen Alkohol, ohne den der Wein oder auch das gute Augustinerbier wenig munden würden. All die unklaren bis dubiosen Zusätze, die oft sogar in den besten Lebensmitteln zu stecken pflegen. Man schwitzt es einfach aus. Der Effekt ist übrigens
auf der Rolle
oder beim Spinning, wo es keinen Fahrtwind gibt, der einen temperiert, noch größer. Wenn ich Wasser in mich schütte, ist es ungefähr so, als wenn ich es auf eine heiße Herdplatte schütte. Ein inwendiger Sauna-Aufguss sozusagen.
    Katharsis eben.

Immanenz
oder:
Vom bergenden Berge
    Das Alpha und Omega beim Radfahren ist der Berg. Zwar kann man auf Flachstrecken das Tempo genießen und, wie es unter Radfahrern heißt,
Kilometer schrubben
, und wenn der Wind zu stark von der falschen Seite kommt, tiefsinnige Betrachtungen über die Geschichte der Segelschifffahrt anstellen, aber das wird irgendwann langweilig. In der Lüneburger Heide wäre ich nie dauerhaft aufs Rad gestiegen. Letztlich geht es um den Berg, wie klein er auch sei.
    Das hat zunächst einmal den wohl jedermann einleuchtenden Grund, dass eine wenigstens hügelige Landschaft, man denke nur an das Allgäu oder die Toskana, ästhetisch mehr zu bieten hat als eine Tiefebene – vom Hochgebirge gar nicht zu reden (wer jetzt das Meer ins Spiel bringt, verlässt unser Thema). Wenn jemand »Postkartenpanorama« sagt, denkt er eben nicht an Holland. Ein kurviges Streckenprofil beschert ferner nicht nur dem Auge, sondern dem gesamten Körper Abwechslung, es belebt den Puls und lässt die Oberschenkel summen. Aber sie sollen ja brennen. Und der Puls soll nicht bloß belebt werden, sondern galoppieren. Dafür braucht es einen Berg. Wenigstens einen kleinen. Man kann auch einen vergleichsweise kurzen Anstieg so fahren, dass es wehtut. Man muss zum Beispiel nur das große Blatt auflegen. In Ermangelung von Alternativen, die von mir daheim aus binnen weniger Stunden erradelbar wären, klettere ich zuweilen denselben Hügel ein paarmal hintereinander hinauf. Einrichtiges Erlebnis ist das freilich nicht. Zehn Mal hundert Höhenmeter sind nicht dasselbe wie 1000 im Stück. Deshalb sollte es hin und wieder schon eine richtige Passstraße sein.
    Von außen betrachtet, steht einem der Berg im Weg. Aber er steht einem in Wirklichkeit ungefähr so im Wege wie ein Festmahl, wie ein Opernabend, wie eine ausgiebige Massage. Es geht darum hinaufzukommen, nicht oben zu sein, ich erwähnte das bereits (es geht ja auch nicht darum, ein Bacchanal hinter sich gebracht zu haben; im Gegenteil herrscht am Ende meist eine sachte Melancholie).
    Am Fuße eines Berges fühle ich mich noch forsch. Die Beine laufen gut, und ich will dem Lümmel zeigen, dass er bloß ein Schenkelkitzler ist. Meine Phantasie suggeriert einen Sturmangriff. Aber ein veritabler Hochgebirgspass zieht sich ewig hin. Bei körperlichen Anstrengungen dehnt sich die Zeit (auch wenn das Tempo gar nicht hoch ist; hier irrt Einstein). Grundsätzlich scheint für alle Fahrradfahrer außer Lance Armstrong zu gelten: Man kommt einen Berg immer langsamer hinauf, als man will. Für mich gilt zudem: immer langsamer, als ich vorher dachte. Wirklich immer – egal wie kurz der Anstieg ist. Die Beine werden schwerer, und die innere große Klappe schließt sich verstohlen. Es sind dieselben Beine, die vor kurzem noch geeignet schienen, die Pedale heute mal fröhlicher kreisen zu lassen. Bald fühle ich mich deprimierend unlocker. Die Attacke findet nicht statt, eher eine Art defensives Sich-Voranschieben. Nicht ich beherrsche den Berg, sondern er mich. Ich habe aber auf einmal keine Lust mehr, zwischendurch in den Wiegetritt zu gehen. Besser sitzen bleiben. Und trinken. Während auf dem Höhenmesser die Hunderter vergleichsweise zäh fallen, stellt sich allmählich ein generelles Misstrauen gegen dieses Gerät ein. Mein Kopf beginnt zu glühen wie im Fieber. Ich reiße das Trikotauf. Trinken, trinken, trinken. Noch eine Kurve. Und noch eine. Wie eine Küstenlandschaft, wo hinter jeder Biegung die nächste folgt. Und kein Ende in

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