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Kleine Portionen

Kleine Portionen

Titel: Kleine Portionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moitzi
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sofort. Mit einem plötzlichen, inneren Leuchten strahlt er uns an. »Yassas, ta pedia«, lächelt er und wird noch schöner. Dann sagt er auf Englisch: »Seid ihr Touristen? Wo kommt ihr her?«
    »Frankreich«, antworte ich, bevor ich nachfrage: »Sie können Englisch? Ich hatte es gehofft, aber …«
    »Natürlich kann ich Englisch«, sagt er und zwinkert mir zu. »Ich mag bloß keine Yankees. Die glauben, jeder spricht Englisch. Die denken, sie können alles kaufen. Die denken, mit Dollars können sie mich zum Lächeln bringen! Ihr seid anders. Ihr sagt wenigstens ‚Hallo’ auf Griechisch. Poli orea.« Er nickt zustimmend. »Und ich mag Franzosen.« Wieder zwinkert er und verwirrt mich damit. »So – was brauchen deine Freunde denn? Ich mach euch auch einen tollen Preis!«
    Wir bleiben eine halbe Stunde vor dem Ringstand, plaudern freundlich mit dem jungen Verkäufer. Schließlich kaufen wir uns jeder einen Ring. Der junge Verkäufer klopft mir auf die Schulter, als wir weitergehen. »Einen schönen Tag noch«, sagt er. »Ya tha ta poume, to pedi.«

Über dem Dorf
     
    Es liegt auf den Hügeln und Wäldern, Feldern und Bergen rund um das Dorf ein gewisser Zauber. Ein Zauber und haufenweise Legenden und Erzählungen durchdringen die Geschichte, die Kultur, sogar die Luft und den Boden der Gegend.
    Das Herz des Dorfes mit seinem Hauptplatz, seiner alten, schlichten Kirche, seinem Rathaus, seinen Häusern und verschiedenen Geschäften schmiegt sich an einen sanften, waldigen Anstieg. Ein kleiner Bach fließt vom Hang herunter, schneidet einen gewundenen Graben in den Wald. Das Bächlein murmelt und gurgelt den ganzen Sommer und Herbst über friedlich; Farn und gelbe Blumen und Gras und Klee und Brennnesseln und andere üppige Alpenpflanzen überwachsen seine Ufer. Hier und da hängen niedrige Äste drüber und entziehen ihn dem Blick. Im Winter, wenn der Bach fast sirupartig unter seiner dicken Eiskruste döst, ist sein Rinnsal kaum hörbar. Im Frühling erwachen aber seine Dämonen mit der Schneeschmelze, er wird dann ganz aufgeblasen und wichtig, rauscht und sprudelt und brüllt durch die Kluft.
    Wenn Sie dem Bach folgen, kommen Sie an den steinernen Überresten einer alten Burg vorbei; vor langer Zeit war sie die Hochburg stolzer, legendärer Raubritter, die die Kaufleute der Grafschaft auf ihrem Weg zum nächsten Markt ausraubten. Später gehörte dem Fürsterzbischof von Salzburg das Schloss, das schließlich im 16. Jahrhundert Zeit und Wetter überlassen wurde, bis nur noch Splitter und Ruinen übrig blieben.
    Wenn Sie neben dem Bach weiterwandern, lassen Sie bald den Schatten des Waldes hinter sich und erreichen einen urigen Bauernhof aus dicken Steinen und dunklem Holz, der von steilen Wiesen und alten, flüsternden Bäumen umgeben ist. Setzen Sie sich ins hohe Gras, riechen Sie das wild-trockene Parfüm der Blumen, hören Sie den Bienen und Fliegen und Hummeln beim fleißigen Herumsummen zu. Von hier können Sie die fruchtbare Ebene bewundern, die sich unter Ihnen bis hin zu einer imposanten Bergkette ausstreckt. Die Ebene ist ein Becken, das ein mächtiger Gletscher vor Urzeiten ins Bergland gedrückt hat und das seit dessen Verschwinden von den Mäandern eines Flusses verbreitert wurde. Auf der anderen Seite des Beckens steigt der Größing empor, dessen Form noch an den Vulkan erinnert, der er einst war. Zu seiner Rechten sind die höchsten Gipfel fast das ganze Jahr über mit Schnee bedeckt.
    Winzig wie Spielzeug sehen sie aus, die Häuser und Straßen und Höfe des Dorfes unten. Es fließt vom Hügel weg, auf dem Sie sitzen, und streckt Siedlungen und Weiler wie Finger in die Ebene. Sie legen sich zurück und schließen die Augen und lassen sich in den Zauber sinken.
    Der Herbst muss hier einen anderen, neuen Zauber mitbringen, wenn eine dichte Nebeldecke über der Ebene liegt und nur die Spitzen und Gipfel in der Ferne hervorragen und in der Sonne glitzern. Sie können sich vorstellen, wie mutig und verlockend es sein muss, auf diesen nebeligen Teppich zu steigen und über die versteckte Ebene zu wandern, um die kalten, grauen Steingipfel in der Ferne zu berühren. Die Wiesen, im Augenblick noch voll und grün, werden dann kahl und braun um Sie herumliegen, und die Bäume werden in tausend wunderbaren Farben funkeln und schimmern.
    Sie spüren das einsame, fast abweisende Gesicht, dass dieser Ort im Winter zeigen muss, wenn der Schnee alle Geräusche abwürgt und der Landschaft einen weiteren,

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