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Kleine Portionen

Kleine Portionen

Titel: Kleine Portionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moitzi
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Straße hinunter zum Golf von Korinth ab. Wir erreichten bei Itea die Küste. Die Landschaft war atemberaubend, die Straße schmiegte sich an den steilen Berghang, das schimmernde, tief azurblaue Meer klatschte Welle auf Welle gegen die Felsen. Schließlich lag Galaxidi vor uns, die schöne kleine Hafenstadt, wo wir geplant hatten, die nächsten paar Tage zu verbringen.
    Jean-Arnaud hatte für uns Zimmer gebucht. Ein Freund von ihm, ein fünfzigjähriger, dicker, bärtiger Italiener, dessen Französisch recht würzig war, besaß ein Restaurant. Vor kurzem hatte er ein altes Kapitänshaus umgebaut, ein niedriges, malerisches Gebäude aus riesigen, grob behauenen alten Steinen, weiß gekalkt, mit einem leuchtend roten Dach; in der Mitte lag ein geräumiger, gepflasterter Innenhof. An strategischen Stellen hatte der Besitzer Amphoren aufgestellt, und von einer Wand hing ein rostiger Anker. Der Hof war schattig und angenehm, Wein und Efeu und Jasmin baumelten überall herunter, und es gab vier Tische fürs Frühstück oder für eine Tasse Nachmittagstee.

Im Wartezimmer der Tierklinik
     
    Ich sitze wieder im Wartezimmer der Tierklinik. Nina liegt mir zu Füßen, und die Beruhigungsmittel fangen allmählich an zu wirken. Sie zittert aber immer noch, und von Zeit zu Zeit setzt sie sich tatterig auf, stößt mit ihrer feuchten Schnauze meine Hand an, jammert ein bisschen und bettelt um beruhigende Streicheleinheiten.
    »Ja, ja, meine Hübsche«, murmele ich jedes Mal und kratze die weiche Stelle hinter den Ohren. »Ja, ja! Beruhig’ dich doch, Prinzessin! Solltest du nicht schon längst KO sein, du kleine Schauspielerin?«
    Seb hat gestern einen blutroten Auswuchs in Ninas Vulva entdeckt. Wahrscheinlich ein Fibrom, hat der Arzt gesagt. Er ist nicht wirklich heiß darauf, hält es aber trotzdem für sinnvoller, sie zu operieren. »Wenn ich könnte, würde ich es nicht tun«, hat er heute Morgen erklärt, nachdem er den Hund untersucht hatte. »Aber sie könnte sich beißen, oder es könnte sich infizieren. Wir sollten es besser wegschneiden.«
    Deshalb warten wir jetzt darauf, dass er einen Notfall behandelt, bevor ich sie hier lasse. Meine weiße, kleine Hündin. In den letzten Tagen ist es ihr viel besser gegangen. Sie hat mit Appetit gefressen, ist während unserer Spaziergänge auf dem Gehsteig herumgesprungen. Die dunklen Momente, in denen sie dem Tod nahe schien, haben schon weit weg gewirkt. Und nun das. Ich seufze, während ich an die 150 Euro denke, die die Operation mich wieder kosten wird. Ich bin emotional erschöpft. Der Arzt hat mich jedoch beruhigt. »Normalerweise wird alles nach der Operation gut«, hat er gesagt.
    Seit wir angekommen sind, sind die beiden Katzen, die zur Tierklinik gehören, majestätisch durch den Warteraum spaziert. Sie haben die anderen Patienten und ihre Herrchen und Frauchen inspiziert, haben ihren Rücken einladend gewölbt, um gekratzt zu werden, haben mit ihren buschigen Schwänzen Menschenbeine gestreift. Nun streckt sich die eine, Benji, auf der Theke aus und leckt sich die Pfoten. Die andere, Caramel, sitzt regungslos auf einer Sessellehne und fixiert Nina mit ihren großen, neugierigen Augen.
    Heute sind vor allem Katzen da. Die meisten kommen bloß zum Impfen. Vor einer halben Stunde ist ein dickes, junges Mädchen weinend hereingestürzt. Während sie ihre Küche geputzt hat, hat ihre Katze offenbar Bleichmittel getrunken. Ich habe gehört, wie der Arzt mit seiner sehr ernsten Stimme gesagt hat: »Ich gebe Ihnen so schnell wie möglich Bescheid. Sie müssen aber wissen, dass das Leben Ihrer Katze wirklich in Gefahr ist!« Das Mädchen hat den Untersuchungsraum verlassen, wir alle haben gehört, wie sie dann auf der Straße laut aufgeheult hat.
    Eine junge Mutter mit ihren drei Kindern sitzt mir gegenüber. Sie hält einen Korb mit einer kleinen Katze auf dem Schoß. Die beiden ältesten Kinder blättern in Zeitschriften und zeigen ihrer Mutter alle schönen oder lustigen Hundefotos, die sie finden. Das jüngste Mädchen wandert durch den Warteraum, streichelt die Katze auf dem Tresen und schaut die Katze auf dem Sessel an, nähert sich dann Nina. »Warum winselt dein Hund?«, fragt sie mich.
    »Naja, weil sie Angst vor dem Arzt hat«, antworte ich nett.
    »Weißt du, Tiere sind gleich wie ihr Kinder«, greift die Mutter ein. »Erinnerst du dich, das letzte Mal, als du beim Doktor gewesen bist – du hast doch auch geweint, als er dir den Impfstoff gespritzt hat, nicht

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