Kleine Portionen
etwas dagegen, wenn ich ihn nehme?«, fragte ich.
»Pas du tout, überhaupt nicht.« Dieses Mal antwortete der dicke Mann. Auf Französisch. »Allez-y, nehmen Sie ihn nur.«
Ich bot Anne-Cécile den Sessel an und vergaß die beiden Männern sofort wieder. Aber als einige unserer Freunde zu einem Nachtspaziergang aufbrachen, klopfte mir der dicke Mann auf die Schulter und fragte, ob sie sich zu uns gesellen dürfen. Und so lernten wir uns kennen.
Jean-Arnaud, ein Belgier, wie sich herausstellte, war ein pensionierter Offizier der Luftwaffe, der aus gesundheitlichen Gründen nach Griechenland gezogen war. Sein Freund Petros war in der Tat Grieche, wie ich vermutet hatte. Er war für die Handelsmarine tätig gewesen. Jetzt lebten er und Jean-Arnaud zusammen in Athen und hatten ein kleines Computergeschäft.
Wir unterhielten uns und tranken fast die ganze Nacht lang. Für Jean-Arnaud den Belgier musste es natürlich Bier sein, das Nationalgetränk. Er behauptete, dass ein Belgier in seinem Leben mehr Bier als Wasser oder irgendetwas anderes trinken würde. Zu Petros eine Erklärung abzugeben wäre überflüssig; für einen Griechen scheint es nur natürlich zu sein, ungewöhnlich große Mengen Alkohol zu trinken.
Wir mochten uns sofort. Ich fand die beiden Männer charmant und extrem lustig. Jean-Arnaud hatte ein schillerndes Leben geführt und erzählte seine Geschichte mit Witz und Humor. Petros konnte auch sehr gut mit Worten umgehen. Er hatte einen starken Akzent auf Englisch, machte aber kaum Grammatik- oder Vokabelfehler. Beide erwiesen sich als scharfzüngige, aber durch und durch nette Typen.
Am Samstagabend fuhren sie mit uns zu einem malerischen Restaurant. Sie kannten die Besitzerin, eine prächtige, blonde Albanerin namens Patsoula. Wir aßen ein reichhaltiges und leckeres Abendessen, spülten es mit Bier und Gin-Tonic hinunter und tanzten gegen Ende des Abends hinter der Theke zu griechischer Pop-Musik.
Als Jean-Arnaud und Petros am nächsten Nachmittag nach Athen zurückfuhren, fragten sie, ob wir wollten, dass sie am folgenden Wochenende wieder hierher kämen. »Ja aber gerne!«, antworteten wir.
Der Geruch der Steine
In Jean-Arnauds Landrover, fuhren wir eine kurvenreiche Küstenstraße hinunter. Die Sonne verschwand hinter dem Horizont; azurblaue Wellen versuchten, ihren zeitlosen Kampf gegen die glänzenden, schwarzen Felsen zu gewinnen; graue Kieseln rollten auf dem schmalen Streifen Strand hin und her und machten dabei Klickgeräusche. Ein steiler Hang aus teils rötlichem Sand, teils Felsen ragte von der Küste in den frühen Nachthimmel empor. Kühlende, schattige, grün-braune Eindrücke von Kiefernholz und spärlich trockenem Gras huschten an den Autoscheiben vorbei, während der Zikadenchor ein lautes Abendevangelium sang, das vor Urzeiten begonnen haben musste und nie enden oder sich ändern würde. Die warme, salzige Luft strömte durch die offenen Autofenster und strich geschmeidig über unsere erregten Gesichter und wehte durch unsere Haare.
Die Zikaden schienen noch lauter zu zischen, als wir aus dem Auto stiegen. Patsoulas Restaurant war nach und nach auf verschiedenen Ebenen gebaut worden. Die Tische schmiegten sich in gemütlichen Terrassen an den Hang, eine Steintreppe führte bis zur obersten Ebene, wo wir zwei kleine Gebäude sahen; sie hatten rote Dächer und bestanden aus grob behauenen, alt aussehenden Steinen, die Zeit und Wetter abgerundet hatten: die Küche und die Bar.
Nun, Steine haben einen Geruch. Das fiel mir auf, als wir uns in eine der kleinen Terrassennischen setzten, die von halb abbröckelnden Mauern umgeben waren. Mir fiel auf, dass die alten, müden Steine einen Geruch nach anderen Zeiten, nach brennenden Sonnenstrahlen und seltenen Regengüssen, nach Salz und Erde und Staub verströmten. Pinien wuchsen um uns herum; die Erde, die Wege, auch die Tische und Stühle waren mit getrockneten Piniennadeln übersät. Ich nahm eine, rieb sie zwischen den Fingern und sog ihren reichen, harzigen Duft ein.
Patsoula, die albanische Besitzerin, war groß und schlank. Sie hatte blond gefärbtes Haar, man sah den schwarzen Wurzelansatz; sie hatte ein gebräuntes, hübsches Gesicht, ein breites, verschmitztes Lächeln, muskulöse Arme und riesige Brüste, die unter einem eng anliegenden, weißen Trägerleibchen ganz von alleine Sirtaki tanzten. Sie war eine laute und schrille Frau, sarkastisch und aufdringlich, ein echtes Unikum. Sie lachte laut auf, als Petros die
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