Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
besorgen?«
»Aber, Chefin, das ... wie heißen Sie eigentlich?«
»Nennen Sie mich Ingrid. Möchten Sie meinen Pass sehen?«
Wolfram Krefeld hob abwehrend die Hände und rief:
»Um Himmels Willen nein! Ich werde mir doch nicht Ihren Pass ansehen.«
»Hätte auch keinen Zweck. Der ist nämlich falsch.«
Krefeld machte ein reichlich dummes Gesicht. Der Mund stand ihm offen. Er sagte gedehnt und tonlos: »Sie sind eine Frau voller Geheimnisse. Reizvoll und gefährlich. Aber warum erzählen Sie mir von Ihrem gefälschten Pass?«
Julia öffnete ihre Aktentasche. Wolfram Krefeld sah ein paar Flaschen, zwei Gläser und einen Korkenzieher. Sie schob ihm den Koffer hin und fragte: »Was möchten Sie trinken?«
»Oh«, antwortete er, »Frauen trinken lieber halbtrockenen Roten, also öffne ich den Roten.«
»Bitte nicht. Öffnen Sie den, den Sie lieber trinken. Ich möchte das so haben. Wirklich.«
»Ist das ein Test?«
Jetzt war Julia überrascht. Damit hatte sie nicht gerechnet. Aber sie wusste längst: Am leichtesten gewann sie Vertrauen, wenn sie überhaupt nicht spielte; von Grübchen, Schmollmund und Tränen einmal abgesehen. Darum sagte sie: »Ihre Frage überrascht mich wirklich. Ich weiß nicht, ob ich Sie testen will. Testen würde ich es nicht nennen. Wir müssen ziemlich rasch feststellen, ob wir beide fähig sind, in einer heiklen Angelegenheit zusammenzuarbeiten. Also bitte: Trockenen Weißen oder halbtrockenen Roten. Mir ist es egal.«
Er nahm den Roten in die Hand, studierte lange das Etikett, sah Julia an, aber sie gab ihm kein Zeichen. Er legte den Roten beiseite und griff nach dem Riesling. Blitzschnell sah er ihr ins Gesicht, aber auch da zeigte sie keine Regung. Julia musste lachen, sie schloss die Augen und nickte ihm ganz leicht zu.
Als sie miteinander anstießen sagte sie: »Kompliziert, nicht? Dabei wollen wir nur zusammenarbeiten.«
Sie setzte ihr Glas ab und sagte ohne Vorwurf in der Stimme: »Wir sind von meiner Frage abgekommen, ob Sie nicht einen besseren Laserdrucker beschaffen konnten.«
Er nahm noch rasch einen kräftigen Schluck und antwortete: »Sie haben gesagt, ich sollte den besten Laserdrucker beschaffen. Vertrauen Sie mir: Das ist der beste. Nicht der teuerste, aber der beste.«
»Gut«, sagte sie, »ich zweifle nicht an Ihren Worten. Wie sollte ich auch. Ich verstehe nichts davon. Also drucken Sie für die Tür unseres Büros ein Firmenschild ... also, wir nennen uns Vertrieb von Mikromotoren für Tauchboote. Und für den Briefkasten unten natürlich ein kleines Schild mit dem gleichen Namen.«
Er schwieg. Julia brachte ihre Schüttelfrisur durch Schütteln in Ordnung, obwohl das ganz unnötig war, und wartete auf eine Antwort, aber die kam nicht.
»Was ist?«, fragte sie. »Kriege ich das Schild?«
»Wie Sie möchten. Ich habe eintausend Schriftarten zur Verfügung, Größe beliebig, was auch immer Sie wünschen. Das wird sofort erledigt, Aber was, bitte, sind Mikromotoren für Tauchboote?«
»Woher soll ich das wissen?«
Julia amüsierte sich über sein ratloses Gesicht, aber sie klärte ihn sofort auf: »Wenn wir Castingbüro für Teenager draufschreiben, dann laufen uns Tausende talentlose Kinder die Bude ein. Richtig?«
Er nickte zustimmend.
»Wir wollen nicht gestört werden. Folglich nennen wir uns Vertrieb von Mikromotoren für Tauchboote. Ich hoffe, kein Mensch wird sich für dieses alberne Zeug interessieren. Oder haben Sie eine besseren Vorschlag?«
Er hatte keinen.
Jetzt erst sah Julia sich in dem Büro um. Es fehlten eine Liege, ein Mikrowellenherd, ein Kühlschrank, eine Kaffeemaschine, Geschirr und Besteck.
»Richten Sie sich hier wohnlich ein. Sie sollen nicht wegen jeder Tasse Kaffee aus dem Büro rennen und es ohne Aufsicht lassen. Und nehmen Sie jeden Abend alle Aufzeichnungen in Ihr Hotel mit. Wenn jemand hier eindringt, darf er nichts finden, was uns verrät. Beschaffen Sie Zeitschriften, Prospekte und Bücher über alles mögliche, auch über Schiffe. Wer hier schnüffelt, soll doch wenigstens etwas fotografieren können. Wir wollen ihn nicht enttäuschen. So, und nun erzählen Sie mir, wie Sie zu Großmann & Sichel gekommen sind!«
Wolfram Krefeld war gleich nach dem Studium bei Großmann & Sichel eingestellt worden. Das Computernetz der Firma war veraltet und ziemlich laienhaft zusammengewürfelt gewesen. Markus Großmann, der Eigentümer der Firma, hatte ihn darum beauftragt, die Kosten für ein neues System zu kalkulieren. Er
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