Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
er ihr gegeben hatte. Also musste es sich doch tatsächlich um einen Auftrag handeln. Doch wieso hatte Krefelds neuer Arbeitgeber eingewilligt, ihn für mehrere Wochen freizustellen? Thorn rief auch dort an, aber es war nichts zu erfahren.
Leo Thorn gab es auf, Wolfram Krefeld vor seiner Rückkehr aus dem Ausland zu finden, aber eine E-Mail schickte er ihm trotzdem noch auf den Computer. Er wollte unbedingt wissen, weshalb Krefeld entlassen worden war, damit ihm nicht das gleiche Schicksal drohte. Das schrieb er Krefeld selbstverständlich nicht. Er schlug ihm nur vor, die alten Zeiten wieder einmal bei einigen Glas Bier aufleben zu lassen.
10.
Dr. Armin Getti hatte die Verteidigung eines Mandanten in Frankfurt übernommen. Es würde einige Zeit dauern, zwei Wochen, vielleicht aber auch länger. Julia war sehr traurig, so lange auf ihn verzichten zu müssen.
»Aber, Liebling«, tröstete er sie, »du kannst dir doch Rex einladen. Geh` ein bisschen spazieren. Oder mit ... wieso sehe ich dich nie mit einer Freundin? Ich meine eine aus unseren Kreisen. An deine Friseurin denke ich dabei nicht so sehr, aber bitte, wenn du meinst, ich habe nichts dagegen. Wie heißt sie noch gleich? Aber wir können ja täglich miteinander telefonieren.«
Die Aussicht, wenigstens jeden Tag einmal mit ihrem lieben Armin plaudern zu können, tröstete sie offensichtlich sofort. Jedenfalls verschwand augenblicklich die steile Falte von ihrer Stirn. Und Grübchen erschienen auf ihren Wangen. Julia hatte lange daran geübt. Grübchen waren zwar längst aus der Mode gekommen, aber Armin liebte sie nun einmal. Schmollmund und Grübchen abwechselnd, beides zusammen ging aus anatomischen Gründen nicht, Schmollmund und Grübchen waren die Waffen, die ihren Armin aus jeder noch so heiklen Stimmung heraus in einen schnurrenden Kater verwandelten.
Armin küsste seine Frau, sprang federnd die Freitreppe hinab und rief seinem Chauffeur >Zum Flughafen< zu. Er winkte kurz zum Abschied aus dem Wagen heraus, dann war er verschwunden.
Julia brühte sich einen Tee auf und schüttelte die neue blonde Perücke zurecht, die sie auch bei dem Treffen mit Wolfram Krefeld getragen hatte. Sie kleidete sich unauffällig, das heißt, sie zog ein schwarz-weiß gestreiftes Kaschmir-Top über und wählte dazu einen ziegelroten Baumwollrock. Sie fand sich völlig deklassiert gekleidet. Sie nahm eine Lederhandtasche von Prado aus dem Schrank und kramte nach einer Sonnenbrille. Dann öffnete sie ihren Geheimsafe und suchte sich einen geeigneten Pass heraus. Gut gelaunt fuhr sie zu einem Gewerbegebiet, ließ ihren Wagen auf dem riesigen und unübersichtlichen Parkplatz stehen, rief ein Taxi und ließ sich zum Flughafen bringen. Drei Stunden später war sie in Amsterdam und fuhr mit dem Lift in die elfte Etage des Bürogebäudes hinauf. Wolfram Krefeld war schon dort. Sie hatte kaum die Tür geöffnet, da begrüßte er sie freudig und ziemlich laut, aber Julia legte ihren Zeigefinger auf den Mund. Krefeld schwieg sofort. Julia trat an das linke Fenster und sah hinaus. Kein Gegenüber. Das war gut. Von draußen konnte also niemand mit Mikrowellen oder Laserstrahlen die Schwingungen der Fensterscheibe aufnehmen und zuhören, was im Büro gesprochen wurde. Krefeld wunderte sich, wieso sie den Computer, den er gekauft hatte, nicht als Erstes ansah, obwohl der dekorativ mitten auf dem riesigen Schreibtisch stand. Stattdessen nahm sie aus ihrer Prado-Tasche ohne hinzusehen einen Minispionfinder heraus und suchte den Raum sorgfältig auf Wanzen ab. Vielleicht war das zu vorsichtig, aber sie hielt sich immer an das gleiche Schema, wenn sie sich irgendwo einmietete. Sie stieg auf den Schreibtisch und suchte mit dem Gerät die Deckenleuchten ab. Auch dort fand sie keine Wanze. Aber sie war noch nicht am Ende. Sie untersuchte den Schrank - mit dem gleichen Ergebnis. Doch an der Wand ganz unten, in einer Ecke des Raumes, beinah vollständig von dem Schrank verdeckt, entdeckte sie einen hellen Fleck. Wolfram Krefeld war er nicht aufgefallen. Und wenn, dann hätte er sich nichts dabei gedacht. Aber Julia misstraute diesem Fleck. Sie konnte ihn nicht erreichen, so sehr sie sich auch verdrehte. Erst als Wolfram Krefeld den Schrank von der Wand abrückte, war der Gipsfleck deutlich zu sehen.
»Haben Sie irgendein Werkzeug, mit dem ich den Gips herauskratzen kann?«
Krefeld schüttelte den Kopf.
»Dann geben Sie mir mal meine Tasche.«
Sie entnahm ihrem Necessaire die Nagelfeile und
Weitere Kostenlose Bücher