Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
begann, an der Wand zu kratzen. Die Feile hatte sie von ihrer Großmutter bekommen. Großmutter wäre entsetzt gewesen, wenn sie hätte zusehen müssen, wie respektlos ihre Enkelin mit dem guten Stück umging. Der schöne Elfenbeingriff mit der Schildpatteinlage wäre binnen Kurzem ramponiert, wenn sie so weiterwerkelte. Und Julia schabte und schabte, bis sie überzeugt war, da keinen Draht und kein Lauschmikrofon zu finden.
Es klopfte. Rasch schoben beide den Schrank an die Wand und verdeckten das Loch und den Gipsstaub.
»Soll ich auch bei Ihnen sauber machen?«, fragte die Frau, die mit einem Tuch in der Hand im Türrahmen stand. Auf ihrem Wagen im Flur hatte sie ihr anderes Werkzeug: Staubsauger, Besen, Eimer und chemische Reinigungsmittel untergebracht. Sie hatte sich an den Mann gewandt. Doch Julia antwortete ihr, sie solle sich einen Schlüssel zum Büro geben lassen und vor Beginn der Geschäftszeit den Raum säubern.
Julia war jetzt sicher, keine Lauscher in dem Raum zu haben. Aber wegen der Reinigungskraft müsste Wolfram Krefeld die Prozedur mit dem Minispionfinder nun täglich auf sich nehmen. Trotzdem nickte sie zufrieden, atmete auf und setzte sich in den Drehsessel, den Krefeld ihr hingeschoben hatte. Dann erst sah sie den Computer, aber sie äußerte sich auch jetzt nicht dazu.
Als Krefeld neben ihr Platz genommen hatte, drehte sie sich zu ihm um und sagte im Plauderton: »Erzählen Sie ein bisschen über sich!«
Krefeld war überrascht. Im Café Krone war sie die ganz kurz angebundene Chefin mit strengem Blick gewesen. Darum war er jetzt darauf vorbereitet, sich sofort voll in die Arbeit zu stürzen, aber stattdessen war sie plötzlich zum Plaudern aufgelegt. Er wusste nicht so recht, wo er anfangen sollte und wie locker er reden durfte. Er wollte nichts verderben. Das Bündel Scheine, das sie ihm als Vorschuss gegeben hatte, ließ ihn auf das beste Geschäft seines Lebens hoffen, falls er nichts falsch machte. War diese strubblige Blondine, knallig weiß und schwarz und rot angezogen, seine Chefin? Dieses Girl irritierte ihn. Sein Blick wurde immer wieder von der dunklen Strumpfhose angezogen, und er folgte ihren Kurven bis unter den roten Rock.
Julia empfand seine begehrlichen Blicke durchaus als angenehm; wenigstens ein bisschen und wenigstens für einen Augenblick. Sie verglich Wolfram Krefeld mit dem Mann, der auf dem Parkplatz vor Friedangers Werft so interessiert unter die Motorhaube seines BMW geschaut hatte. Als Mann gefiel der BMW-Fahrer ihr besser als Wolfram Krefeld. Doch er war nicht erreichbar. Sie kannte seinen Namen nicht, nur die Autonummer, aber wenn er tatsächlich ihr Bewacher war, dann war das Autokennzeichen entweder gefälscht, oder nicht gemeldet. Oder er war mit einem Leihwagen gekommen. Sie wollte ihn trotzdem kennenlernen. Wenn er sich von ihrem Mann bezahlen ließ, dann musste er ihm auch berichten. Julia hätte so einen Bericht zu gern einmal gesehen.
Julia suchte kein Abenteuer, auch nicht mit Wolfram Krefeld. Deshalb schob sie gleich einen Riegel vor Krefelds lüsterne Blicke. Der Bursche leckte sich ja schon die Lippen. Die Furcht, etwas falsch zu machen, etwas zu sagen, was ihr nicht gefiel, schien sich verflüchtigt zu haben. Was so eine Strumpfhose alles bewirken konnte.
»Also meine Strumpfhose stammt von Christian Dior, alles andere, was Sie an mir sehen, hat Prado gemacht, aber es ist nicht etwa der neueste Schrei, sondern zwei Jahre alt. Empfehlen Sie es also nicht Ihrer Christa. Das zum einen. Und nun werden Sie sich fragen, warum ich das alte Zeug trage. In diesen Klamotten vermutet mich keiner meiner Bekannten. Die schreienden Farben machen mich also, gerade weil sie schreiend sind, so unauffällig wie ein graues Mäuschen. So, damit wäre das Geschlechterproblem zwischen uns erledigt. Erzählen Sie mir, wie Sie zu Großmann & Sichel gekommen sind, was Sie dort getan haben und warum er Sie gefeuert hat. Wenn wir beide zusammenarbeiten wollen, dann müssen wir uns kennen und vertrauen. Das möchte ich jetzt gern erreichen. Einverstanden?«
Er nickte, aber Julia glaubte, ein klein wenig Enttäuschung in diesem Nicken zu sehen. Sie ging nicht darauf ein.
»Ach, übrigens«, sagte sie, »bevor ich es vergesse: Können Sie ein Schild für die Tür und den Briefkasten unten drucken mit dem Namen unserer Firma?«
»Kein Problem. Wie heißt denn unsere Firma?«
»Ist das da ein Laserdrucker?«
»Das ist ein Laserdrucker.«
»Konnten Sie keinen Besseren
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