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Kleine Schiffe

Kleine Schiffe

Titel: Kleine Schiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schuetze
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versuchen, einen Bauklotz in seinen Rollkragen zu stecken. Papa fängt meinen gerührten Blick auf und sagt fast beschwörend: »Franziska, jetzt wird nicht mehr geheult!« Er hilft mir, die Kinder ins Bett zu bringen und dann macht er mir den Vorschlag, Lillis Zimmer endlich ganz auszuräumen.
    Er hebt beide Daumen. »Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!« Er zieht mich vom Sofa hoch und schiebt mich die Treppe hinauf. In Lillis Zimmer öffnet er eine Schublade. »Hier, ich habe schon Müllbeutel bereitgelegt. Komm schon, Franzi!«, ermuntert er mich noch einmal. Und weil ich nichts anderes vorhabe, lasse ich mich schließlich von seinem Aktionismus anstecken.
    »Das geben wir in die Altkleidersammlung«, bestimmt Papa und versenkt Lillis pinkfarbenes Hängerchen in einen Karton. »Sie hatte ja einen reichlich exzentrischen Geschmack.« Dann zupft er einen riesigen graubraunen Norwegerpullover mit Rundhals aus dem Stapel. »Was ist das denn? Ob der mir wohl passt? Einen dicken Pullover könnte ich gut gebrauchen.« Er zieht seinen Rollkragenpullover über den Kopf und schlüpft in den anderen. »Passt!«, verkündet er und breitet die Arme aus. »Wie sehe ich aus?«
    Mir liegt ein »Lächerlich!« auf der Zunge, denn vorn auf dem Pullover prangt ein Elch mit einem Cowboyhut. Aber ich schlucke meinen Kommentar hinunter. So furchtbar ist der Pullover nicht – und außerdem: Er hat keinen Rollkragen! Papas faltiger Altherrenhals reckt sich kampflustig aus dem wollenen Elchgewimmel. Frisch wirkt er, unternehmungslustig. Also nicke ich anerkennend. » Die Farben stehen dir.«
    Am traurigsten finde ich, Lillis Schuhe auszusortieren. Jacken, TShirts, Mäntel – die kann man reinigen lassen, dann sind sie fast wie neu. Aber getragenen Schuhen haftet etwas sehr Persönliches an. Füße formen die Schuhe individuell. Getragene Schuhe – das ist eine gänzlich andere Sache als ein getragenes Jackett. Wir entschließen uns, Lillis Turnschuhsammlung wegzuwerfen. »Jeder hat das Recht auf seine eigenen Schweißfüße«, kommentiert Papa naserümpfend.
    Als ich aufatmend die Schuhabfalltüte verknote, schaue ich auf das Plakat der Band »Die Befreiung«. »Das möchte ich hängen lassen!« Die vier Männer blicken ernst und kritisch unter ihren halblangen Frisuren vom Plakat. »Neben dem Elvis-Bild hat Lilli dieses Poster als Erstes aufgehängt. Ich habe die Gruppe nie gehört.«
    »Vielleicht hat Lilli David bei einem Konzert von denen kennengelernt?«
    So vieles über Lilli werde ich nie erfahren.
    Papa hebt den Schuhsack prüfend hoch. »Den nehme ich gleich mit zum Container. Und sonst …«
    Als er sich im Zimmer umsieht, erinnert mich das an unser Gespräch damals beim Arzt. Ich folge einer plötzlichen Eingebung. »Papa, möchtest du eigentlich immer noch hier einziehen?«
    Er runzelt die Stirn, setzt sich auf das abgezogene Bett und schaut mich ernst an. Dann antwortet er: »Vor Amélies Geburt habe ich mir das sehr gewünscht. Aber jetzt mit den beiden Kindern brauchst du den Platz. Außerdem, warte ab, mein Mädchen, du bleibst nicht lange allein.« Bevor ich nachfragen kann, sagt er: »Natürlich werde ich dir immer zur Seite stehen, aber ich werde auch nicht jünger. Und … Ich habe mittlerweile andere Pläne.« Und dann erzählt er mir, dass er mit Helmut und Rudi innerhalb der nächsten zwei Jahre eine Alten-WG aufmachen will. Grinsend fügt er hinzu: »Wir legen zusammen und leisten uns später eine attraktive Schwester.« Dann wird er wieder ernst. »Weißt du, nicht zuletzt durch Lillis Tod habe ich endlich verstanden, dass ich loslassen muss. Man kann nichts im Leben für immer festhalten.«
    Ich sehe ihn verwirrt an. Papa hält mir seine Hand hin. Als ich sie ergreife, zieht er mich neben sich. »Ja, Franzi, ich muss endlich lernen, dich loszulassen!«
    »Ich habe es gar nicht so empfunden, dass du mich festhältst.«
    »Ich glaube, du hast dich oft von mir kritisiert gefühlt. Das ist auch eine Art, jemanden nicht loszulassen. Immer an ihm herumzunörgeln.«
    »Du traust mir so wenig zu.«
    »Weil ich immer Angst um dich habe. Hatte! Dass du es nicht schaffst. Du bist doch mein kleines Mädchen. Unser kleines Mädchen. Aber seit deiner Trennung von Andreas habe ich neue Seiten an dir entdeckt. Und dass du jetzt Lisa-Marie aufnimmst, hat mir endgültig gezeigt: Du bist stark, und du kannst dein Leben allein regeln – und das mit zwei Kindern.«
    »Aber ich brauche dich mehr denn

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