Kleine Schiffe
darum geht es? Ich bin dir zu jung! Ich hab’s doch geahnt!«
Nein, nein! Aber in wenigen Jahren wäre ich dir zu alt – wenn du deine eigene Familie gründen willst! Oder wenn du eine Glatze bekommst und einen Bauch, wenn du deine Altersängste mit einem hübschen jungen Mädchen wegflirten willst.
An dieser Stelle stutze ich. Dieser Gedanke erlaubt den Rückschluss, dass auch ich versuche, mit Simon meine Falten wegzubügeln. Das ist natürlich Unsinn. Jede Frau, die einen Jüngeren liebt, weiß: Das Gegenteil ist der Fall. Neben dem jungen Geliebten fühlt man sich besonders alt.
Aber ich behalte meine Gedanken für mich, lächele nur und sage: »Du weißt genau, dass du mir nicht zu jung bist.« Und dann spiele ich den Ball schnell zurück. »Bin ich dir etwa zu alt?«
»Nein, natürlich nicht. Darum geht es doch nicht.«
»Siehst du!«
»Aber warum trennen wir uns dann eigentlich? Weil ich mal kurz was mit Lilli hatte? Das war doch vor dir!«
Ehrlich und offen antworte ich: »Nein, deswegen auch nicht.«
»Weswegen dann?«
»Hör mal, du hast gesagt, dass wir zusammen waren! «
Auch wenn wir beide wissen, dass es vorbei ist, so tut es doch weh, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Ein Abschied in der Liebe, gleichgültig wie ruhig und besonnen er vorbereitet wird, ist auch unter Freunden traurig. Mit einem Händedruck oder einem Winken ist es nicht getan. Der Abschied unterliegt bestimmten Regeln. Wir müssen letzte Worte austauschen, Trauerarbeit leisten. Nachdenklich betrachte ich meinen jungen Geliebten, der ebenso versunken auf einen Nietnagel an seinem Daumen schaut. Ich war einmal sehr verliebt in ihn.
»Franziska, du hast ja keine Ahnung, wie verliebt ich in dich war!«
»Und jetzt?«
»Immer noch ein bisschen, aber anders.«
Er lächelt mich an. »So habe ich mich noch nie von einem Mäd …, von einer Frau getrennt. Das ging immer mit viel Stress und Generve und Streit ab. Mit dir ist das anders. Genauso wie es anders war, mit dir zusammen zu sein.« Er sieht mich offen an. »Eigentlich möchte ich mich gar nicht trennen, aber …« Er nimmt wieder meine Hand. »Wirst du zurechtkommen? Du kannst mich jederzeit anrufen …«
Jetzt müssen wir beide lachen. Verlegen schränkt er ein: »Also, prinzipiell! Wenn mein Akku nicht wieder leer ist …«
»… oder du keine Lust hast, ans Telefon zu gehen! Aber trotzdem, vielen Dank.«
Simon zieht die Schulterblätter zusammen, richtet sich auf und nimmt die Speisekarte erneut zur Hand. »Ich nehme noch ein Tiramisu – und du?«
Er bestellt das Dessert und lässt sich vom Kellner in eine Diskussion über Fußball verwickeln.
So ist das also: Wir trennen uns, reden über Fußball und essen dann Nachtisch . Wie anders war doch die Trennung von Andreas. Simon sieht mich an. »Alles in Ordnung?«
Ich drücke seine Hand. »Alles in Ordnung!«
»Er war schön, unser Sommer, oder? Wirst du manchmal daran denken?« Simon beugt sich noch näher. »Du warst die erste Frau in meinem Leben, die sich für mich Dessous gekauft hat.«
Bei Espresso und Tiramisu lassen wir unseren Sommer noch einmal Revue passieren – die Spaziergänge, das Grillen im Garten, die nächtlichen Essen mit Lilli und ihren Freunden.
»Merkwürdig«, sagt Simon. »Manchmal habe ich das Gefühl, dass Lilli uns zusammengehalten hat.«
Lilli hat mich zurück ins Leben gerissen – und dort habe ich Simon getroffen. »Ohne Lilli wären wir nie zusammengekommen.«
»Dann dürfen wir sie jetzt nicht enttäuschen und müssen unbedingt Freunde bleiben.«
»Das klingt reichlich abgedroschen.«
»Aber nur, wenn man es nicht ehrlich meint. Wenn es eine dumme Floskel ist. Und das passt doch gar nicht zu uns, oder?«
Ich kann mir durchaus vorstellen, mit Simon befreundet zu sein. Mit Andreas nicht. Andreas war mein Mann mit Haut und Haar, und ich habe mich ihm mit Haut und Haar hingegeben. Aber unsere Leidenschaft ist einfach auf der Strecke geblieben, als wir nur miteinander schliefen, um ein Kind zu bekommen. Dennoch: Davor waren Andreas und ich ein loderndes Feuer. Mit Simon und mir war es eher eine wohlig warme Wärmflasche, die allerdings auch recht heiß werden konnte.
Als ob er meine Gedanken liest, fragt Simon: »Wirst du wieder mit Andreas zusammenkommen?«
»Wieso?«
Er zuckt mit den Achseln. »Weiß nicht, ist nur so ein Gefühl.«
Ob Simons Gefühl stimmt oder nicht – Andreas tut viel dafür, mit mir in Kontakt zu bleiben. Er ruft fast täglich an, fragt, was die Kinder
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