Kleine Schiffe
willst du mit einem Kind?«
»Du weißt, wie sehr ich mir eins gewünscht habe! Du solltest sogar die Patentante werden.« In Gedanken ergänze ich: und Johannes der Patenonkel.
Tina erwidert forsch: »Ja, aber da waren wir doch noch viel jünger! Das ist vorbei.«
Meine Augen werden feucht. »Vielleicht doch nicht.«
Tina läuft wieder hin und her. »Willst du etwa eine von diesen spätgebärenden Übermüttern werden?« Sie spricht die Worte so aus, als handele es sich um widerwärtige Insekten.
»Erst einmal muss ich zum Frauenarzt. Vielleicht ist das ja auch eine Hormonschwankung. Oder das vorgezogene Klimakterium.«
Tina schüttelt den Kopf. »Und was, wenn nicht? Willst du dann wirklich vermuttern?« Sie nimmt mich genauer in Augenschein. »Was ist denn los, Franzi? Seit wann bist du so nah am Wasser gebaut?«
Ich grabe in meiner Jeans nach einem Papiertaschentuch, schneuze die unterdrückten Tränen weg. »Was wäre so schlimm am Vermuttern?«, wage ich zu fragen.
Tina seufzt. »Na, beispielsweise die Tatsache, dass das unsere Freundschaft extrem belasten würde.«
»Was hast du denn damit zu tun?«
Tina sieht sich in der Küche um. »Gibt es bei dir eigentlich etwas zu trinken?«
Ich spüre das schlechte Gewissen der Gastgeberin, hole Gläser aus dem Schrank, stelle Rotwein und Mineralwasser auf den Tisch vor dem Kamin und werfe Tina eine Tüte Chips zu. »Machst du die auf?«
Wir stoßen an. Wobei ich nur ein wenig am Wein nippe und mich ansonsten an das Wasser halte. Man kann ja nie wissen.
Tina nimmt einen kräftigen Schluck Rotwein, dann seufzt sie tief auf. »Guck mal, Franzi, wie schön wir es jetzt haben: ein gemütlicher, ruhiger Abend in deinem gemütlich eingerichteten Häuschen, leckerer Rotwein, ab und an ein Kochkurs mit aufregenden Männern …« Sie grinst. »Und das willst du aufgeben für ein Leben mit Kind? Mensch, Franzi, dann ist es aus mit unserer Gemütlichkeit! Dein neues rotes Küchensofa wird vollgekleckert mit Brei und anderem ekligen Zeug. Dein schöner alter Esstisch wird zerkratzt werden. Kein vernünftiges Wort könnten wir mehr miteinander reden. Dauernd würde das Baby dazwischenquaken.« Sie entwirft des Weiteren ein Horrorszenarium aus durchwachten Nächten, die ich graugesichtig, körperlich stets am Rande des Zusammenbruchs, kaum überstehen würde. »Statt dich altersgemäß mit mir im Wellness-Bad zu aalen, wirst du als Herrin der Augenringe wie ein Zombie durch deinen Alltag aus vollgespuckten Tüchern, müffelnden Windeln und Breiflecken auf der Bluse wanken.«
Wider Willen muss ich lachen. »Du kennst dich ja gut aus.«
Tina dreht ihr Glas zwischen den Fingern. »Na klar. Erstens habe ich Bodos Kinder mit aufgezogen – die Kleine war gerade mal vier Jahre alt, als wir uns zusammentaten. Und zweitens sehe ich das doch überall um uns herum.«
»Und du findest das so schrecklich?«
Tinas Antwort kommt prompt. »Absolut!«
Ich greife nachdenklich zum Wasserglas. »Aber das Vermuttern muss doch für mich gar nicht zutreffen.«
Tina sieht mich zweifelnd an. »Das sagst du jetzt. Aber wenn du erst einmal Mutter bist … Wer weiß, ob du dann überhaupt noch etwas mit mir machen willst? Du wirst eine völlig neue Szene entdecken …«
»Die Szene der vollgekotzten Spucktücher?«
Tina lässt sich nicht beirren. »Du wirst dich in Baby-Lounges rumdrücken.«
Das ist mir neu. »Baby-Lounges?«
Tina fasst sich an den Kopf. »Franzi, wo lebst du eigentlich? Dieser Stadtteil ist ein Babyparadies!« Sie lauscht ihren eigenen Worten nach. »So gesehen, hast du es richtig gemacht. Also, es gibt hier jede Menge Läden, in denen sich Muttis mit ihrem Nachwuchs treffen. Bodos Büro hat für einige von denen die Websites gestaltet.«
»Was geschieht in diesen Baby-Lounges?«
»Das ist nichts weiter als eine modernisierte, aufgehübschte Variante des stinklangweiligen Kaffeekränzchens meiner Oma. Wie aufregend kann es wohl sein, sich über Milchschorf, Windelausschlag und verrotzte Babynasen auszutauschen?« Tina ist jetzt völlig in ihrem Element und legt weiter nach: »Erinnerst du dich noch an Britta, die ein paar Monate lang bei mir in der Anmeldung saß?«
Ich nicke. Britta war eine vergnügte Endzwanzigerin mit unverkennbar hamburgischem Zungenschlag, die wenige Monate nach ihrem Arbeitsantritt in Tinas Praxis einen ihrer Patienten heiratete.
Tina sieht mich triumphierend an. »Nachdem sie jahrelang versucht hatte, ihren Kerl zu einem gemeinsamen Kind zu
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