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Kleine Schiffe

Kleine Schiffe

Titel: Kleine Schiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schuetze
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ihrer heftigen Ablehnung bei unserem letzten Gespräch wage ich keinen erneuten Vorstoß.
    Aber ich kann doch schlecht die Unvermeidlichen um Schützenhilfe bitten! Vor meinem inneren Auge tauchen Rudi und Helmut im Kreißsaal auf. Sie tragen Kittel und grüne Masken vor dem Gesicht. Einer von ihnen durchstöbert die Instrumententische, starrt auf Monitore und erscheint mit der nüchternen Erkenntnis »Kein Bier da!« neben der Liege, auf der ich mich mit aufgestellten Beinen rhythmisch hechelnd herumwerfe. Der andere schaut auf mich herunter und sagt: »Ein Baby! Franziska! Hasse da Geschmack für?«
    Die meisten Mütter bekommen bei der Erwähnung meiner Schwangerschaft feuchte Augen. Meine Kollegin Nicoletta, selbst Mutter von zwei Kindern, umarmte mich spontan und zum ersten Mal, seitdem wir zusammenarbeiten, und das tun wir immerhin schon sieben Jahre. »Ein Baby! Herzlichen Glückwunsch!«
    Es muss einen riesigen Unterschied zwischen »Babys« und »Kindern« geben. Die Erinnerung an ihre Schwangerschaft und die ersten Säuglingstage ihrer Kinder ist bei vielen Frauen eine Erinnerung mit Goldrand. Ich bin gespannt, ob ich herausbekomme, warum.
    Jedenfalls läuft bei der Arbeit alles wesentlich leichter als privat. Nicoletta, unsere Auszubildende Fenia und selbst mein Chef Dr.Heymann scheinen sich wirklich für mich zu freuen. »Der Chef« ist anfangs etwas irritiert. »Schwanger? Jetzt noch? Mutig, mutig! Frau Funk, ich muss sagen, dass hätte ich Ihnen nicht zugetraut.« Er wirft mir unter den buschigen Augenbrauen einen anerkennenden Blick zu.
    Es ist eine interessante Erfahrung, dass ich neuerdings von so vielen Menschen für mutig gehalten werde. Ausgerechnet ich: die graue Maus, die Frau ohne Willen! Courage, Mut, sich etwas zutrauen – das sind Worte, an die bisher niemand in Verbindung mit meiner Person gedacht hätte.
    Allerdings falle ich sofort wieder in die mir vertraute Rolle der Bedenkenträgerin zurück, als ich die sorgenvolle Miene meines Chefs sehe, der mich jetzt fragt: »Da müssen wir uns ja um eine Vertretung für Sie kümmern, stimmt’s? Hm …« Er summt grübelnd vor sich hin. Das macht er immer, wenn er ein Problem lösen muss. Er hasst Veränderungen im Team, ja sogar in der gesamten Praxis. Nicoletta und ich haben einmal die Stühle im Wartezimmer neu arrangiert. Wir hofften, mehr Patienten unterbringen zu können, wenn wir die Stühle nicht nur an den Wänden entlang, sondern auch im Raum verteilten. Der Chef fand das gar nicht lustig und forderte eine umgehende Wiederherstellung der alten Ordnung.
    Daran muss ich jetzt denken, und es tut mir aufrichtig leid, dass ich ihm Unannehmlichkeiten mache. Schnell tröste ich ihn: »Aber das hat doch Zeit. Ich gehe ja erst Ende des Jahres in Mutterschutz.« Und ich füge hinzu: »Verzeihen Sie mir, bitte. Ich weiß – das macht jetzt unnötig Arbeit. So kurz vor den Sommerferien.« Da ist bei uns nämlich Hochsaison, weil viele Patienten vor dem Urlaub geimpft und untersucht werden wollen.
    Der Chef wirft seinen kantigen Kopf mit einer fast zornig wirkenden Bewegung in den Nacken. »Sind Sie völlig verrückt geworden, Frau Funk?«
    Ich starre ihn erschrocken an. »Weil ich das Kind bekomme?«
    »Nein, nein!« Der Chef springt auf. »Aber mich ärgert, dass Sie mir unterstellen, Ihre Schwangerschaft könnte mir Probleme bereiten. Für wen halten Sie mich denn? Für einen Leuteschinder? Sie sollten ruhig ein bisschen selbstbewusster werden. Schließlich leben wir nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert, wo eine geschiedene Frau nicht schwanger werden durfte und ihr einziger Ausweg darin bestand, ins Wasser zu gehen.« Er klopft mir freundlich auf die Schulter. »Sie sind jetzt erst mal schön schwanger, Ende des Jahres gehen Sie in Mutterschutz, und alles andere soll nicht Ihre Sorge sein. Wir werden schon einen Ersatz finden.« Er hebt in tragikomischer Weise die Hände. »Natürlich wird keine Ersatzkraft so effizient sein wie Sie! Und es kostet leider so viel Energie, neue Mitarbeiterinnen einzuarbeiten.«
    Nicoletta, die gerade Blutproben für das Labor fertig macht, gibt sich keine Mühe, ihr Lachen zu verkneifen. »Aber Chef, damit werden Sie doch gar nichts zu tun haben! Das mache doch ich!«
    Der Chef sieht sie so zweifelnd an, als würde ich schon morgen niederkommen und die noch völlig fiktive Neue bereits in der Praxis herumwuseln. »Und wenn diese neue Kollegin die verrückt Ideen hat, das Wartezimmer umzuräumen?«

    Ich melde

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