Kleine Sünden erhalten die Liebe
Stock und gingen zu dem Empfang zurück. Die Gäste saßen noch auf ihren Plätzen, und durch den Geräuschpegel hindurch hörte man im Hintergrund leise Kammermusik.
»Passt gut auf«, sagte Morty. »Das könnte ich sogar mit geschlossenen Augen schaffen.«
Von der anderen Seite des Saals ertönte ein Aufschrei.
»Ich habe auch einen!«, rief jemand.
»Bin ich gut oder nicht?«, sagte Morty.
Wir gingen nach unten zur Personalgarderobe, schlüpften in unsere eigenen Klamotten und verließen das Gebäude durch eine Tür, die auf die Hancock Street hinausführte. Rasch liefen wir weiter bis zur Joy Street. Die Hausnummer, die auf dem Mosaik erschienen war, befand sich im ersten Block zwischen der Beacon und der Mount Vernon Street. Wir blieben auf dem Gehsteig stehen und betrachteten das Backsteinhaus. Vier Stockwerke und ein Souterraingeschoss. Es wirkte nicht heruntergekommen, war aber auch nicht frisch renoviert.
Im Haus brannte kein Licht. Entweder war niemand zu Hause, oder der Bewohner hatte sich früh schlafen gelegt. Es war zu dunkel, um das Bronzeschild an der Tür lesen zu können.
»Das muss ein historisches Haus sein«, meinte Morty. »Dort sieht man immer solche Schilder wie diese.«
Meine Neugierde übermannte mich, und ich schlich die Stufen der kleinen Eingangsterrasse hinauf, um den Schriftzug auf dem Schild entziffern zu können.
»Hier heißt es, dass es sich um ein historisches Gebäude aus dem Jahr 1880 handelt. Erbaut von William Butterfield«, flüsterte ich. »Es heißt The Key House , benannt nach dem ersten Bewohner Malcolm Key.«
Ich berührte mit einer Fingerspitze das Schild und spürte die darin eingeschlossene Energie. »Es ist die Tafel.« Ich winkte Diesel zu mir heran. »Ich kann die Energie darin spüren.«
Diesel starrte auf die Tafel und befühlte die Kanten. »Ich kann sie nicht entfernen«, erklärte er. »Sie ist einzementiert.«
»Ich habe Hunger«, beklagte sich Morty. »Ich habe zwar einige von diesen Horsd’œuvres gegessen, aber ich habe immer noch kein Wurstbrötchen bekommen.«
Diesel warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »In einer halben Stunde soll ich dich deinem Sohn übergeben. Wir gehen jetzt erst mal zum Wagen zurück, und das mit der Tafel werde ich später klären.«
Wir marschierten zu Diesels Auto, und Diesel fuhr das kurze Stück bis zur Beacon Street und parkte dort in zweiter Reihe vor einem kleinen Lebensmittelladen. Ich lief rasch hinein, kaufte eine Packung von diesem weißen Pampbrot und ein halbes Pfund Wurst für Morty und dazu noch eine Tüte Chips. Bevor die Polizei uns einen Strafzettel verpassen konnte, saß ich längst wieder im Wagen. Diesel umkreiste den Public Garden und blieb kurz vor dem Hotel Vier Jahreszeiten stehen. Mortys Sohn wartete bereits auf uns.
»So übel ist er gar nicht«, meinte Morty. »Eigentlich freue ich mich auf zuhause. Ich habe einen schönen Fernseher im Zimmer, und ich bekomme meine Wurstbrötchen.«
Nachdem wir Morty seinem Sohn übergeben hatten, reihte sich Diesel wieder in den Verkehr ein und verließ Beacon Hill.
»Wohin fahren wir?«, erkundigte ich mich.
»Ich dachte, wenn wir schon in dieser Gegend sind, könnten wir Deirdre Early einen Besuch abstatten. Es gibt einiges, was ich mit ihr besprechen möchte.«
»Wie zum Beispiel?«
»Was sie sich dabei denkt, anderen Leuten Sachen an den Kopf zu werfen und dich zu bedrohen. Anarchie.«
»Alles gute Gesprächsthemen«, bemerkte ich. »Vielleicht solltest du noch fünf oder sechs Schmerztabletten nehmen, bevor du an ihre Tür klopfst.«
Diesel bog in die Commonwealth Avenue ein, und uns fiel sofort der Zug Feuerwehrwagen ins Auge, der vor Earlys Haus stand. Er hielt hinter einem der Löschfahrzeuge an, und wir blieben einen Moment lang sitzen und starrten auf das Fiasko vor uns. Earlys Haus war offensichtlich komplett ausgebrannt. Die Fenster waren geborsten und die Außenwände mit Ruß bedeckt. Das Dach war zum Teil eingebrochen.
»Ich habe sie davor gewarnt, dass sie in Flammen aufgehen könnte«, sagte ich zu Diesel.
Er lächelte grimmig. »Dein Wunsch scheint wohl in Erfüllung gegangen zu sein.«
Wir stiegen aus dem Wagen und gingen zu zwei der Feuerwehrmänner hinüber, die sich eine Pause gönnten und Kaffee tranken.
»Was ist passiert?«, erkundigte Diesel sich.
»Wir sind nicht sicher«, erwiderte einer der Feuerwehrmänner. »Wahrscheinlich ein Brandbeschleuniger, denn die Flammen sind blitzartig durch das Haus geschossen.
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