Kleine Sünden erhalten die Liebe
beklagte sich Morty. »Ihr wisst ja nicht einmal, wonach ihr sucht. Ich hätte ruhig auf dieser Party bleiben und noch ein paar Löffel verbiegen können.«
»Gütiger Himmel«, sagte ich. »Können Sie uns nicht endlich mit Ihrer Löffelgeschichte verschonen?«
»Mein Gott, warum denn so schnippisch, Missy?«, erwiderte Morty und warf Diesel einen Blick zu. »Das passiert, wenn sie nicht ausreichend befriedigt werden, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Hey, ich tue mein Bestes«, erklärte Diesel. »Aber sie hat so ihre Probleme.«
»Ich habe keine Probleme«, widersprach ich. »Du bist derjenige, der Probleme hat. Bin ich etwa wild darauf, die Welt zu retten? Nein, aber ich bin kein Spielverderber und mache brav mit. Das könntest du zumindest anerkennen. Du könntest sagen: Wow, Lizzy, vielen Dank, dass du mir hilfst. «
»Vielleicht ist das die gewisse Zeit im Monat«, meinte Morty.
»Halt mich zurück«, sagte ich zu Diesel. »Sonst bringe ich ihn um.«
»Was sonst noch?«, fragte Diesel.
»Was meinst du damit?«
»Was behagt dir sonst noch nicht?«
»Ich will nicht in die Kuppel hinaufsteigen.«
»Jetzt kommen wir der Sache schon näher«, stellte Diesel fest.
»Heißt das, ich muss nicht mitkommen?«
»Doch, das musst du, aber du darfst dabei wimmern wie ein kleines Mädchen, wenn du willst.«
Ich verließ die Galerie und ging in den Gang, der außen an dem Raum entlangführte. Aus einigen Fenstern konnte man auf Boston schauen, und zwischen den Fenstern befanden sich Wandgemälde. Einige davon stellten Szenen auf Farmen dar. Andere zeigten Schlachten aus den Zeiten der Revolution. Und auf einigen waren Staatsmänner zu sehen. Bei allen war ein passender Spruch in verschnörkelter Schrift in das Kunstwerk eingearbeitet. Ich blieb stehen, um mir eine Farmszene genauer anzuschauen, und der Spruch verschlug mir den Atem. Oft blickt zu heiß des Himmels Auge nieder.
Heiliger Bimbam. Das war die Zeile aus Reedys Shakespeare-Anthologie.
KAPITEL 18
I ch spähte aus dem Fenster, das dem Shakespeare-Zitat am nächsten lag, und sah auf die Joy Street hinaus. Diesel kam herüber und stellte sich neben mich.
»Boston sieht von hier oben sehr hübsch aus«, meinte er. »Es ist meine Lieblingsstadt in Amerika.«
»Es überrascht mich, dass du nicht hier wohnst. Warum hast du dich für Marblehead entschieden?«
»Ich muss in deiner Nähe sein.«
Es war das zweite Mal in den letzten zwei Minuten, dass es mir den Atem verschlug. Wenn ich Diesel hinterhertrotte, fühle ich mich ehrlich gesagt manchmal so wie Alice im Wunderland, nachdem sie in den Kaninchenbau gefallen ist – ich scheine mich in einem total verrückten Traum zu befinden und glaube, jeden Moment aufzuwachen und die Welt wieder normal vorzufinden.
Und dann gibt es auch Zeiten, in denen mir bewusst wird, dass man mir einen Beschützer zur Seite gestellt hat, und das führt mir das Ausmaß meiner Verantwortung vor Augen.
»Ich habe den Hinweis gefunden«, berichtete ich Diesel. »Er steht auf diesem Wandgemälde.«
Er legte mir den Arm um die Schulter und las das Zitat, das man Shakespeare zuschrieb. »Gute Arbeit. Auf dem Bild ist eine Sonne zu sehen. Das heiße Auge des Himmels. Und es blickt auf die Felder des Farmers.«
»Dieses Wandgemälde ist ein Mosaik«, bemerkte Morty. Er beugte sich vor und betrachtete die Oberfläche. »In der Sonne befindet sich eine kleine Fliese in Form eines Schlüssels.«
Diesel zog den Lovey-Schlüssel aus seiner Tasche und legte ihn auf den Mosaikstein. Er passte genau, und auf dem Farmhaus erschien plötzlich eine Zahl. Gefolgt von einem großen J .
»Das könnte auch nur ein gigantischer Witz aus dem 18. Jahrhundert sein«, meinte ich. »Eine endlose Schnitzeljagd, die nirgendwo hinführt.«
Ich hörte, wie sich die Aufzugtüren öffneten, und ein Sicherheitsbeamter kam auf uns zu.
»In diesem Teil des Gebäudes sind keine Besucher erlaubt«, erklärte er.
»Tut uns leid«, sagte ich. »Das haben wir nicht gewusst. Wir hatten gerade Pause, und da sind wir wohl ein wenig zu weit gegangen. Wir waren noch nie zuvor im State House, und es ist wirklich interessant.«
»Wenn Sie unter der Woche wiederkommen, können Sie an einer Führung teilnehmen«, erklärte der Wachmann. »Jetzt muss ich Sie bitten, wieder in den Saal zurückzukehren.«
»Wir müssen ohnehin zurück«, erwiderte ich. »Unsere Pause ist vorbei.«
Diesel steckte den Schlüssel wieder ein. Wir fuhren mit dem Aufzug in den ersten
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