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Kleine Suenden zum Dessert

Kleine Suenden zum Dessert

Titel: Kleine Suenden zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Dowling
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Zeit«, verabschiedete Grace sich vernehmlich, weil sie die Leute im Warteraum nicht merken lassen wollte, dass ein Zehnjähriger ihr den Hörer aufgelegt hatte.
    Ewan riefe bestimmt gleich zurück, aber sie war sich nicht schlüssig, ob sie reagieren würde. Sollte man nicht meinen, dass in einer Situation wie dieser ausnahmsweise einmal sie für ihn wichtiger wäre als er selbst? Sollte man nicht meinen, dass er wenigstens den Fernseher ausgeschaltet und gesagt hätte: »Also, Jungs, diese Geschichte ist wichtiger als mein Coke-Spot«, oder etwas in der Art? Aber nein. Nicht ihr Mann. Er dachte einfach nicht nach. Das tat er nie. Und er rief nicht einmal zurück. Das Handy lag still auf ihrem Schoß, und sie fühlte sich wie eine Sechzehnjährige, die den ganzen Abend auf den Anruf eines blöden, gedankenlosen Jungen wartete.
    Was immer du tust - heirate ihn nicht!, beschwor sie die Sechzehnjährige. Oder, wenn du darauf bestehst, ihn zu heiraten, tu es wenigstens nicht schon mit dreiundzwanzig, wenn du dein ganzes Leben noch vor dir hast! Nein! Wappne dich gegen sein gutes Aussehen, seine Kawasaki und die kleinen Gedichte, die er für dich schreibt und die sich immer reimen - sogar die über deinen ersten Tag als Makler-Greenhorn, als du ein Haus verkauftest, das gar nicht zum Verkauf stand. Oh, es macht vielleicht Spaß mit ihm, aber Spaß ist ein schlechter Begleiter an einem Samstagvormittag im Supermarkt, wo die kreischenden Zwillinge versuchen, sich aus dem Einkaufswagen zu stürzen, während er die Slogans auf Butterdosen niedermacht (auch wenn er es mit lustigem Akzent tut und die Babys damit zum Lachen bringt). Aber er wird niemals anrufen. Er wird niemals anrufen, wenn du möchtest, dass er anruft. Ihr Handy klingelte. Ewan war dran. »Grace? Es tut mir Leid. Ich habe den Fernseher ausgemacht.« Er schwieg, als erwarte er, dass sie ihn lobend tätschelte, und das brachte sie noch mehr auf.
    »Tu mir bloß keinen Gefallen!«
    »Wie bitte?«
    »Meinetwegen brauchst du den Fernseher nicht auszumachen.«
    »Hab ich aber gerade getan.«
    »Nur, weil du dachtest, du müsstest es. Du würdest dir eigentlich viel lieber deinen Spot ansehen als mit mir telefonieren.«
    »Wie kannst du so was Schreckliches sagen?« Diesmal würde sie ihn nicht so davonkommen lassen. »Jeder andere Mann wäre augenblicklich ins Auto gestiegen und hergekommen, um mir beizustehen. Jeder Mann mit Gefühl, zumindest!«
    Einen Moment lang herrschte tiefe Stille, und dann erwiderte er in beleidigtem Ton: »Ich bin noch nicht mit Packen fertig. Wenn ich zu dir gefahren wäre, würden wir entweder das Flugzeug verpassen oder ohne Gepäck fliegen müssen.«
    Seine Vernunft, seine Ausreden, machten sie noch wütender. »Du hast es mir ja nicht einmal angeboten! Das ist die wahre Kränkung!«
    »Du möchtest, dass ich dir etwas anbiete, was ich nicht einhalten kann?« Jetzt klang auch er wütend. Offenbar betrachtete er ihren Angriff als ungerechtfertigt. »Du möchtest eine leere Geste? Tut mir Leid, das wusste ich nicht. Du hättest es mir sagen sollen.« Und sie hatte gedacht, er wäre zerknirscht!
    »Du bist völlig gefühllos«, erklärte sie ihm von oben herab. »Außer, wenn es darum geht, einen Werbeslogan zu entwerfen.«
    »Was?«
    »Ich werde jetzt auflegen«, sagte sie hochnäsig.
    »Grace.« Aha: sanfter Ton. »Ich weiß, dass du einen Schock erlitten hast, und darum schreibe ich dieses Theater deinen lädierten Nerven zu, okay?«
    Nun, irgendeinen Grund musste er schließlich finden, nicht wahr? Er musste einen neutralen Schuldigen finden. Denn selbstverständlich konnte es nicht sein, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Mit ihnen. Das käme ihm zu ungelegen, jetzt, wo er gerade den Slimchoc-Etat an Land gezogen hatte (wie es schien, waren Slimchoc-Kekse, gefüllte Gebäckröllchen und Wicked Slimchoc Cake in der Entwicklung) . Dann müsste er etwas tun, sich mit ihrer Beziehung befassen, sich die Hände schmutzig machen. Es war viel einfacher, herumzualbern und vorzugeben, ebenfalls ein zehnjähriger Junge zu sein, und es ihr zu überlassen, sich mit der Erwachsenenwelt der Verantwortung und Emotionen herumzuschlagen.
    »Wiedersehen«, sagte sie.
    »Wiedersehen«, sagte auch er, und es klang sehr verärgert. Na und? Soll er doch schmollen, dachte Grace. Sie hatte es bis obenhin, mit der wohlwollenden Nachsicht behandelt zu werden, wie man sie einem zurückgebliebenen Familienmitglied entgegenbringen würde. Ausgerechnet sie, die

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