Kleiner Hund und große Liebe
sowohl ein Zimmer als auch das Essen haben soll - alles für das bißchen Buddeln?“
„Darüber werden wir wieder sprechen, wenn Sie morgen abend Blasen an den Handflächen und Muskelkater in den Beinen haben“, lachte Papa.
„Aber Sie kennen mich ja gar nicht! Sie wissen nicht, was für einen Menschen Sie bei sich aufnehmen!“
„Na, allzu schlimm können Sie nicht sein“, meinte Papa. „Unsere Feline - ich meine, Ihre Cora - könnte Sie nicht so lieben, wenn Sie ein schlechter Mensch wären!“
„Sagen Sie das nicht“, widersprach ihm Ingo. „Es gibt genug Beispiele dafür, daß Hunde durch dick und dünn zu ihrem Herrn halten; und viele Verbrecher haben ihre Hunde sehr geliebt. Aber zu Ihrer Beruhigung kann ich versichern, daß ich nicht im Bett rauche, daß ich kein Terrorist bin und auch kein Alkoholiker. Ich klaue Ihr Silber nicht, und ich bin auch nicht drogensüchtig.“
„Das beruhigt mich sehr!“ versicherte Mama lachend. „Ich bin ja so glücklich, daß endlich etwas mit dem Garten gemacht wird! Ich glaube, ich hätte es sogar in Kauf genommen, wenn Sie im Bett geraucht oder unser Silber geklaut hätten! Das liegt übrigens in einem Banksafe in Frankfurt, hier haben wir nur Stahlbestecke!“ „Was machst du eigentlich außer Unkraut jäten und Cora pflegen?“ fragte ich.
„Ich studiere Archäologie.“
„Ach.“, ich sah das knabenhaft junge Gesicht an. „Bist du schon so alt? Ich dachte, du wärest achtzehn oder so!“ Ingo lächelte. „Ich bin schon dreiundzwanzig, Elaine!“
„Was?“ rief ich. „So alt? Ja, aber dann - dann hätte ich ja ,Sie’ sagen müssen!“
„Quatsch mit Soße!“ erwiderte Ingo.
Fröhliche Tage
Es ist unglaublich, wie schnell man einen Menschen kennenlernt, mit dem man jeden Tag stundenlang im Garten arbeitet.
Denn ich ließ ja Ingo nicht allein schuften! Ich war fast immer dabei und half ihm, so gut ich konnte.
„Weißt du was?“ sagte Ingo. „Wenn man hier einen kleinen Weg machte, so einen richtigen Kiesweg, und dort drüben eine MiniParkanlage mit ein paar Zierbüschen und leicht zu pflegenden Stauden, das würde sehr nett aussehen. Ich werde deine Eltern fragen, was sie darüber denken.“
„Das brauchst du nicht“, erklärte ich. „Du kannst mich fragen. Ich bin die rechtmäßige Besitzerin vom Haus und vom Garten!“
Ingo hörte mit dem Graben auf und sah mich mit großen Augen an.
„Was bist du? Die Besitzerin? Wie wird ein sechzehnjähriges Mädchen Hausbesitzerin?“
„Durch Erbschaft“, erwiderte ich. Und dann erzählte ich ihm die ganze Geschichte.
„Nur eins tut mir so furchtbar leid“, sagte ich zuletzt, „daß Tante Elsbeth es mir nicht vorher erzählt hat! Ich hätte mich doch so gern bei ihr bedankt - ich hätte erzählen wollen, wie glücklich ich über dieses Riesengeschenk bin. Ja, denn es ist ja ein Geschenk - ich sehe keinen Unterschied zwischen einem Geschenk und einer testamentarischen Gabe.“
„Ich auch nicht“, sagte Ingo. „Dann also, verehrtes Fräulein Hausbesitzerin, geruhen das gnädige Fräulein sich einen Kiesweg dorthin zu dem kleinen Hügel da zu wünschen?“
„Er kann jederzeit damit anfangen, ich finde seinen Vorschlag gut“, antwortete ich. „Lieber Himmel, was bist du eigentlich für eine alberne Person, Ingo!“
„Und du erst! Unglaublich, daß deine reizenden Eltern eine so alberne Tochter bekommen haben!“
„So, du findest meine Eltern reizend?“
„Das kann ich dir sagen! So was Liebes - und dann seid ihr alle immer so fröhlich, ihr seid irgendwie. ja, was soll ich sagen, ihr seid so unkompliziert. Alles ist hier so selbstverständlich. Da kommt ein ganz Fremder, um euch den geliebten Hund wegzunehmen, und ihr gebt ihm Zimmer und Essen!“
„Und wir lassen ihn dafür ohne Gehalt stundenlang schwer arbeiten“, ergänzte ich. „Aber du kannst recht haben, meine Eltern sind einmalig. Ich finde, ich habe sie gut gewählt. Aber, sind denn deine Eltern nicht nett?“
Ingo schwieg eine Weile und arbeitete weiter. Endlich antwortete er: „Meine Eltern sind geschieden. Ich wohne mit meiner Mutter zusammen. O ja, sie ist ein sehr guter Mensch, und ich habe sie wirklich lieb. Aber sie ist nicht so fröhlich wie deine Mutter. Nun ja, kein Wunder. Sie hat viel Schweres durchgemacht.“
„Und dein Vater? Verstehst du dich gut mit ihm?“
„Eigentlich ja. Mein Vater ist außerordentlich intelligent, und er ist das, was man einen rechtschaffenen Mann und einen guten Bürger
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