Kleiner Hund und große Liebe
Wiedersehensaugenblick zwischen meiner Mutter und Cora zu knipsen.“
„Und ich schicke dir Abzüge von den Bildern, die ich in dieser Zeit gemacht habe“, flüsterte ich.
Zu mehr als einem Flüstern reichte es nicht bei mir! Ingo machte die Autotür auf, und Cora sprang fröhlich auf den Beifahrersitz. Ich mußte mich gewaltig beherrschen, um sie nicht zu streicheln, um kein liebes Wort zu sagen. Sie mußte und sollte uns vergessen.
Ingo saß schon im Wagen, dann machte er das komische Klappfenster seines Autos auf: „Ich komme bestimmt mal zurück, Elaine! Und - ja, ich rufe heute abend an!“
Der Wagen rollte davon. Und ich fiel Mama heulend um den Hals. „Ja, ja, Elainchen“, sagte Mama. „Es ist gar nicht so leicht, sich dauernd umzustellen. Deine Gefühle für Barry mußtest du auf Feline übertragen, und jetzt mußt du sie Bisken weitergeben.“ Ich weinte aber weiter.
„Kind“, sagte Mama und streichelte mir die Wange. „Was deine Gefühle für Ingo betrifft.“
„Was für Gefühle?“ stammelte ich. Mama lächelte. „Ich bin doch nicht von gestern“, sagte sie.
Papa und Marcus kamen zurück. Bisken zeigte sich vollkommen unsentimental. Er raste in den Garten, fand seinen geliebten Ball, rannte dann zu Anton und forderte ihn zum Spielen auf, er wedelte begeistert mit dem Schwänzchen und nahm entzückt den Knochen, den Marcus ihm hinwarf. Seine Mutter interessierte ihn anscheinend gar nicht mehr.
Papa hatte die Post geholt. Es war ein dicker Brief aus Frankfurt angekommen. Er las ihn mit gerunzelter Stirn. Dann reichte er Mama den Brief.
„Lies“, sagte er. „Da haben wir den Salat!“ Seine Stimme klang nicht gerade froh.
„Welchen Salat, Papa?“ fragte ich.
„Einen Salat von Kraut und Rüben - mit Petersilie drauf! Herr von Krohn hat das Haus verkauft, und ich muß schleunigst nach Frankfurt, um den neuen Besitzer zu sprechen.“
„Vielleicht ist er ein netter Mensch!“ meinte ich.
„Hoffentlich. Aber ich sehe ein bißchen schwarz. Es ist ein älteres Ehepaar, und der Himmel weiß, was die beiden zu unseren Viechern sagen werden und zu Marcus’ Indianerzelt im Garten und zu dem Gerenne auf der Treppe, wenn alle Nachbarskinder zu Besuch kommen. Ach Kinder, wie hatten wir es gut bei der lieben Frau von Krohn!“
Papa packte ein paar Sachen zusammen, er wollte am folgenden Tag in aller Herrgottsfrühe starten. Ich blieb sitzen und starrte vor mich hin.
Wenn nun dieses Ehepaar uns gar nicht als Mieter haben wollte? Wenn wir ab Oktober keine Wohnung mehr hatten? Dann - ja dann mußten wir ja einfach hier bleiben! Hier, im eigenen, heißgeliebten Haus. Hier, wo wir uns frei und glücklich fühlten, wo Mama ihren jetzt so schönen Garten hatte, wo ich billig reiten konnte, wo Marcus und die Tiere rumtollen konnten, so viel sie wollten! Hier, wo wir Bisken ganz einfach in den Garten lassen konnten, statt immer mit ihm Gassi zu gehen? Ja, natürlich, dann käme ja die Frage wegen meiner Schule. Aber ich hätte nichts dagegen, Fahrschülerin zu werden, und es war nicht weit nach Hannover oder Braunschweig. Und Marcus, der Schulanfänger, konnte bestimmt genausogut in der Dorfschule lesen und schreiben lernen wie in einer großen Schule in Frankfurt.
Papas Arbeit? Ja, aber er hatte sowieso immer Aufträge in den entlegensten Teilen Deutschlands oder im Ausland. Es war doch egal, ob er seine Reisen in Frankfurt oder in Rosenbüttel startete?
Je mehr ich darüber nachdachte, desto einfacher schien es mir. Ja, zu guter Letzt wünschte ich sogar, daß die neuen Besitzer so abscheulich sein würden, daß Papa keinen Mietvertrag unterzeichnen wollte!
Aber vielleicht würde er alles daran setzen, eine neue Wohnung in Frankfurt zu finden? Ach, du lieber Himmel, das würde eine Stange Geld kosten! Und hier - hier in unserem eigenen kleinen Paradies - hier hatten wir alles umsonst!
So weit war ich am Abend mit meinen Gedanken gekommen. Ach, wie vermißte ich Ingo! Wie gern hätte ich mit ihm über dieses Problem gesprochen! In diesen wenigen Wochen hatten wir über alles mögliche geplaudert. Er wußte genau Bescheid über uns, und wir - oder jedenfalls ich - wußten eine Menge über ihn. Wie gern hätte ich - hoppla! Da klingelte das Telefon! Ich war wie ein geölter Blitz am Apparat.
„Bist du es, Elaine? Hier ist Ingo! Ja, wir sind gut nach Hause gekommen, und das Wiedersehen hättest du erleben müssen! Meine Mutter weinte dicke Tränen, und Cora hat sie halb aufgefressen, sie hat
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