Kleiner Hund und große Liebe
dringendsten brauchten; sie hat uns über die erste, schwere Zeit nach Barrys Tod hinweggeholfen. Und nicht nur das, wenn sie uns jetzt verläßt, hat sie dafür gesorgt, daß wir einen Ersatz haben - und was für einen! Na, Bisken, zeig mal, daß du laufen kannst, du kleine Leberwurst - ich will doch auch einen Hund auf dem Arm haben!“ Bisken kam angewatschelt, fiel um, kam wieder auf die Beine, wurde von Kater Anton helfend geschubst, und dann nahm Papa ihn auf den Arm. Ich hob Anton auf, er setzte sich wie immer auf meiner
Schulter zurecht, und dann wanderten wir in einer Prozession zurück zum Haus.
„Es gibt Essen in fünf Minuten“, verkündete Mama. „Aber, Herr Moorhof, wollen Sie nicht Ihre Mutter anrufen? Elaine sagte doch.“
„Ja, furchtbar gern“, erwiderte Ingo. „Ich brenne ja darauf, meiner Mutter von diesem Wunder zu erzählen!“
Das Telefon stand im Flur, und es ließ sich nicht vermeiden, daß wir das Gespräch - oder Ingos Teil davon - mithörten.
„Muttchen, ich bin’s. - Oh, fein, prima! - Nein, ich war schon auf dem Heimweg, ich bin in einem Dorf mit dem reizenden Namen Rosenbüttel. Muttchen, setz dich mal hin. Ich muß dir etwas erzählen. Nichts Schreckliches, es ist etwas sehr Schönes! Hast du dich hingesetzt? Halt dich sicherheitshalber auch fest. Muttchen, paß mal auf:
Wir haben unsere Cora wieder! -Ja, wirklich! Sie sitzt hier neben mir!
O ja, gesund und munter, bei reizenden Menschen.“
„Hört, hört!“ flüsterte Papa und lachte.
„Nein, um Gottes willen, wer der Dieb war, ahne ich nicht und auch nicht die Familie hier. - Muttchen, Cora hat einen Sohn, er ist Petersens ,Knöpfchen’ wie aus dem Gesicht geschnitten. Also, alles ist in bester Ordnung. - Nein, das weiß ich nicht genau, ich rufe dich morgen wieder an, es gibt so allerlei hier zu besprechen. - Mach’s gut, bist du jetzt glücklich? Ich auch! Nein, nein, weine nicht! - Na ja, meinetwegen, ich kann es ja gut verstehen! Cora, sprich mit Frauchen - einmal tüchtig bellen, kannst du das?“
Cora konnte! Dann sagte Ingo noch ein paar liebevolle Worte -und da kam auch schon Mama mit dem Essen.
Mein Bruderherz kam natürlich wie immer in der letzten Sekunde zum Essen und wurde direkt ins Bad geschickt - mit gutem Grund! Er erschien also mit etwas Verspätung, und als er einen Gast vorfand, reichte er ihm sehr manierlich eine halbwegs saubere Hand. Dann hieß es, die ganze Geschichte noch einmal zu erzählen, diesmal in einer gekürzten und für einen Sechsjährigen leicht begreiflichen Form. Marcus machte ein entsetztes Gesicht und vergaß zu essen.
„Aber - aber - nimmst du uns Feline weg?“
„Das muß ich ja, Marcus“, erklärte Ingo. „Sie muß doch wieder nach Hause, wo sie hingehört!“
„Aber Bisken behalten wir“, beruhigte ihn Papa. „Nur ein paar Wochen müssen wir ihn entbehren, er braucht noch seine Mutter, weißt du.“
„Nein!“ rief Marcus, und plötzlich kullerten die Tränen aus seinen Augen. „Nicht Bisken! O bitte, bitte, laß Bisken hier! Ich werde ihm Milch geben und - und - er darf bei mir schlafen - aber nicht wegnehmen!“ Marcus weinte ungehemmt.
„Nein, Marcus, ich nehme euch Bisken nicht weg“, tröstete ihn Ingo. Dann wandte er sich an Papa. „Mir ist eine Idee gekommen, Herr Grather, wie wir dieses Problem vielleicht lösen könnten, falls es Ihnen recht ist.“
„Wir hören!“ versicherte Papa, und Mama wischte Marcus’ Tränen weg und gab ihm einen tröstenden Kuß.
„Elaine hat mir Ihr schönes Grundstück gezeigt und hat mir erzählt, daß Sie keine Hilfe zum Umgraben für den geplanten Garten haben. Würden Sie mir erlauben, mein Zelt auf dem Grundstück aufzuschlagen, und wäre es Ihnen recht, wenn ich diese Arbeit auf mich nähme - als Dank für alles, was Sie für Cora gemacht haben?“ „Und ob es uns recht ist!“ riefen meine Eltern im Chor. „Verstehen Sie auch etwas von Gartenarbeit?“
„O ja. Mein Vater ist Gartenarchitekt, und mein Onkel hat eine große Gärtnerei, in der ich immer Ferienjobs gehabt habe. Ich habe sicher ein paar Megatonnen Unkraut gejähtet und so viel Land umgegraben, daß man ein paar Schlösser daraufhätte bauen können!“ „Aber haben Sie auch Zeit?“ fragte Mama. „Ich meine, wenn Sie hier bleiben wollen, bis man Bisken von seiner Mutter wegnehmen kann - das wären ja mindestens noch zwei Wochen, wenn nicht drei!“
Ingo hatte Zeit, und er erklärte uns auch, warum. Er war in Urlaub mit einem Freund
Weitere Kostenlose Bücher