Kleiner Hund und große Liebe
lassen.
„Um Gottes willen!“ rief Mama. „Ich hätte keine ruhige Minute!“
„Ob deine Mutter für ein paar Tage herkommen könnte?“ schlug Papa vor.
„Ich rufe sie heute abend an“, erwiderte Mama. Aber dazu kam sie nicht. Denn am Nachmittag klingelte das Telefon. Mama nahm den Hörer ab.
„Nein, Jessica!“ rief sie. „Wie nett! Was machst du und wo bist du? Was? Aber Mädchen, natürlich! Je eher, desto besser! Umstände? Natürlich machen wir Umstände, eine ganze Menge sogar! Elaine bringt das Fremdenzimmer in Ordnung, und ich backe einen Kuchen, Marcus pflückt einen Strauß Feldblumen, und Asbjörn fährt los und kauft zwei tiefgekühlte Hasenrücken, das ist doch dein Lieblingsgericht? Wie lange kannst du bleiben, Jessica?
Oh, das ist schön! Ja, ja, je länger, desto besser! Du hast recht, ich habe etwas mit dir vor, du kommst wie gerufen, dich schickt uns der liebe Gott! Gut, Jessilein, also morgen im Laufe des Nachmittags. Wir werden den roten Teppich ausrollen, und Marcus spielt einen Huldigungsmarsch auf seiner Mundharmonika. Also, bis dann - grüß deinen Falko!“
„Mensch, Jessica kommt!“ rief ich. „Das ist prima!“
„Großartig!“ sagte Papa. „Sie kommt genau im richtigen Augenblick.“
„Klasse!“ stimmte auch Marcus zu. „Vielleicht kocht sie uns Zitronenpudding! “
Jessica ist nämlich eine begnadete Köchin, und Marcus kann ihren Zitronenpudding nicht vergessen. Sonst ist sie praktische Ärztin, ihre Praxis ist kombiniert mit der Psychiater-Praxis ihres Mannes Falko. Sie wohnen in Kiel, aber wir haben sie in Frankfurt kennengelernt, wo Jessica ein Jahr als Hausgehilfin arbeitete, um Geld für ihr Studium zu verdienen. Altersmäßig befindet sie sich genau zwischen meinen Eltern und mir, mit dem Resultat, daß beide Generationen sie als Herzensfreundin betrachten.
„Sie rief aus Lübeck an“, erzählte Mama. „Weiß der Himmel, was sie da macht.“
„Lübeck?“ fragte ich, und mein Herz machte einen kleinen Hopser. Es gab eben Worte, die diese Reaktion bei mir hervorriefen: Lübeck, Lakelandterrier, Archäologie und Gartenarbeit und noch ein paar andere Dinge.
Die Antwort bekamen wir, als Jessica am folgenden Tag angerollt kam - in ihrem urkomischen, kleinen „selbstgestrickten“ Wagen, den sie innigst liebt. Falko hatte ihn schon in der Studienzeit zusammengebastelt, und er lief noch tadellos.
„Ja, es war nämlich so“, erzählte Jessica am Kaffeetisch. „Falko und ich wollten vier Wochen Urlaub machen, zuerst seine Eltern besuchen und dann meine, und dann zwei Wochen in Österreich. Dann rief eine verzweifelte Kollegin aus Lübeck an. Sie hatte einen Unfall gehabt und suchte händeringend eine Vertreterin für ihre Praxis. Sie ist ein furchtbar netter Kerl, wir kennen uns gut seit der Studienzeit. Also schmolz mein Herz, Falko fuhr zähneknirschend allein zu seinen Eltern, das Quartier in Österreich wurde abgesagt, und ich rollte nach Lübeck. Gestern hat dann meine Kollegin die Praxis wieder übernommen. Ich rief meinen Herrn und Gebieter an -ja, er ist wieder zu Hause in Kiel, und ich dachte in meinem
Optimismus, daß er sich freuen würde, weil ich nach Hause kommen konnte. Denkste! Er teilte mir kurz und unbarmherzig mit, daß er mich nicht zu sehen wünschte! Er ist dabei, die ganze Wohnung zu renovieren, alle Räume stinken nach Farbe, man stolpert über Tapetenrollen, und kein Möbelstück steht auf seinem Platz. „Fahr doch zu Bernadette und Asbjörn, sie sind in dem geerbten Haus in der Heide“, schlug er vor. Ja, so war es - und hier bin ich!“
„Was hast du doch für einen klugen Mann“, sagte Papa. „Aber wenn er gewußt hätte, was wir mit dir vorhaben, hätte er vielleicht etwas anderes vorgeschlagen.“
„Nanu? Soll ich als Köchin einspringen?“ lächelte Jessica.
„Ja, und Babysitter und Erzieherin und Hundepflegerin“, ergänzte Mama. „Ich muß nämlich unbedingt mit Asbjörn für ein paar Tage nach Frankfurt, du ahnst ja nicht, wie wichtig es ist - ich wollte gerade meine Mutter fragen, ob sie ein Flugzeug besteigen und hierher kommen könnte - und dann hast du angerufen, du Goldschatz!“
„Fahrt nur los“, sagte Jessica. „Kochen kann ich, und deine Kinder werde ich nach altmodischer, autoritärer Art erziehen. Hoffentlich habt ihr einen Rohrstock im Haus! Im Ernst, ich bin nur froh, daß ich euch helfen kann, und wir werden es uns schon gemütlich machen, nicht wahr, Elaine? Und Marcus, dir koche ich
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