Kleiner Hund und große Liebe
unbeschreiblich glücklich, das hast du doch auch gesehen!“
„Ja, soweit ich überhaupt sehen konnte“, sagte Mama mit einem kleinen Lächeln. „Du hast wohl nicht entdeckt, daß ich andauernd dasaß und die Tränen abwischen mußte?“
„Ich konnte es nicht sehen, weil ich dasselbe tat“, gestand ich. „O Mama, ich finde alles so wunderbar - und wie ich es Miriam gönne!“
„Ja, ich auch. Ich bin so unsagbar froh für das arme Mädchen!“ „Und so reizend, wie Daniel sie begrüßte - gleich eine herzhafte Umarmung und gleich per du.“ Mama lächelte.
„Nun ja, Familiengefühl hin, Familiengefühl her - ich glaube kaum, daß es einen jungen Mann besonders viel Überwindung kostet, ein so hübsches Mädchen wie Miriam zu umarmen! Aber es stimmt, der junge Daniel ist wirklich sehr nett. Ich mochte ihn sofort leiden.“
„Nur schade, daß er so weit weg wohnt.“, fing ich an.
„Was heißt hier weit? Er wohnt doch in Würzburg, und ab Neujahr sind Miriam und ihre Mutter in Nürnberg! Du kennst doch wohl so viel von Deutschlands Geographie, um zu wissen, daß das nur ein Katzensprung ist!“
„Ja, richtig!“ rief ich. „Das hatte ich total vergessen! Du lieber Himmel, dann wird Miriams Mutter ihren Vetter in der Nachbarschaft haben, sozusagen! Und Miriam und Daniel können sich treffen, sooft sie wollen!“
Es entstand eine kleine Pause. Bisken hatte auf seinem persönlichen Sessel geschlafen. Nun wachte er auf, streckte sich, gähnte, sprang herunter vom Sessel und überlegte sich anscheinend, was er nun tun sollte. Er entschloß sich für meinen Schoß, machte einen zielbewußten Sprung, setzte sich bequem hin und holte mit seiner kleinen Pfote meine Hand, damit ich ihn kraulte.
„Kleines Bisken“, sagte ich. „Kleines, liebes Bisken. - Es ist eigentlich merkwürdig, Mama. Als Barry starb, dachte ich, ich könnte nie einen Hund so liebgewinnen wie ihn. Aber dann kam Cora, und es war sehr, sehr schwer, sie zu verlieren. Und jetzt habe ich Bisken genauso lieb wie Cora, ja, ich glaube sogar, so lieb wie ich Barry hatte!“ Mama sah uns beide an und lächelte.
„Vielleicht spielt es für dich auch eine Rolle, daß Bisken ein Andenken an eine sehr schöne Zeit ist“, meinte sie. „Ein Andenken an Feline - ich meine Cora - und an die Tage, die Ingo hier verbrachte.“
Da fühlte ich, wie eine verräterische Röte in meine Wangen stieg, und ich begrub mein Gesicht in Biskens strubbeligem Fell.
Es dauerte etwas, bis Mama weitersprach.
„Du, Lillepus. Falls nun zum Beispiel Jessica hier gewesen wäre statt meiner, also - glaubst du nicht, daß du dann mit ihr gesprochen hättest? Ich meine, über das, was dich im Augenblick erfüllt?“
„Wie kommst du auf Jessica?“ fragte ich.
„Weil Jessica deine Freundin ist, genau wie meine, und weil sie ein lieber, verständnisvoller Mensch ist. Und - ja, es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß ein junges Mädchen manchmal besser mit einer guten Freundin reden kann als mit der eigenen Mutter. Ich will nicht aufdringlich sein, Lillepus. Aber siehst du, ich habe das sichere Gefühl, daß du einen Menschen brauchst, mit dem du reden kannst.
Du hast etwas, was dich bedrückt, und ich weiß auch, was es ist. Glaubst du nicht, daß du für einen Augenblick vergessen könntest, daß ich deine Mutter bin? Kannst du mich, jedenfalls vorübergehend, nur als eine gute Freundin betrachten, einen Menschen, der eine gewisse Lebenserfahrung hat, und der dich so lieb hat, daß er dir wahnsinnig gern helfen möchte?“
Mamas Stimme war nüchtern und vernünftig, und doch spürte ich den Unterton von Liebe und unsagbarer Güte.
Es war schwer, die richtige Antwort zu finden. Und als ich endlich sprach, glaube ich, kam es ziemlich unsicher und stotternd: „Du hast recht, Mama. Ich weiß nicht, warum, aber es ist tatsächlich so, daß es manchmal schwer ist, mit der eigenen Mutter zu sprechen, wie lieb man sie auch hat. Ja, denn das habe ich, Mamachen! Ich habe dich unsagbar lieb!“
„Ich weiß es, Kind, und ich bin glücklich darüber. Aber versuch mal, für ein Weilchen mehr an die Freundschaft als an die Liebe zu denken. Ja, das wollte ich dir also sagen, und wenn du lieber deine Probleme für dich behalten möchtest, sollst du es tun. Ich verstehe dich hundertprozentig!“
Mama sprach so ruhig, so sanft, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen; das leise Geräusch ihrer Stricknadeln war immer zu hören.
„Mama“, sagte ich endlich. „Du sagst, daß du
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