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Kleiner König Kalle Wirsch

Kleiner König Kalle Wirsch

Titel: Kleiner König Kalle Wirsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilde Michels
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sie ja zur Zeit
nicht, und eure Zweitausgaben zu Hause schlafen gerade, die haben sie also auch
nicht nötig.«
    »Woher wissen sie, wenn sie auf der
Erde gebraucht werden?« wollte Max wissen.
    »Das spüren sie deutlich. Sie werden
dann heftig angezogen, und zwar im gleichen Augenblick. So schnell könnt ihr
gar nicht schauen, wie so ein Schatten abflitzt. Er ist immer rechtzeitig zur
Stelle, wenn Licht auf etwas fällt, ganz gleich, ob es die Sonne ist oder der Mond
oder eine Lampe.«

     
    »In der Sonne wirft man aber den
kräftigsten Schatten.«
    »Das stimmt. Wenn’s recht heiß und
sonnig war, kommen sie auch immer ganz erschöpft angekrochen. Was glaubt ihr,
wie ermüdend es ist, platt auf heißen Pflastersteinen zu liegen. Sie kühlen
sich dann hier an der Quelle.«
    Die Geschwister waren so sehr von den
Schatten in Anspruch genommen, daß sie ganz vergaßen, sich darüber zu wundern,
wie gut sie mit einem Mal im Dunkeln sehen konnten.
    Als Max jetzt aber Kalle Wirsch
anblickte, stieß er einen Freudenschrei aus: »Jenny, schau doch, wir haben
echte Erdmännchenaugen! Ich sehe den Königsschein, der um Kalle Wirsch
leuchtet.«
    »Den Königsschein? - Wirklich, es
leuchtet ganz hell um ihn.«
    »Na, habe ich’s nicht gesagt?« Der
kleine Wirschenkönig wiegte sich tiefbefriedigt in den Hüften. »Das sind Augen,
was? Anders als eure Halbtagsaugen, was? Richtige schöne Ganztagsaugen sind
das. Und Ganznachtsaugen natürlich auch.«
    »Dürfen wir die für immer behalten?«
fragte Max.
    »Das läßt sich vielleicht machen.
Vorausgesetzt freilich, daß ihr euch bewährt. — Und damit ihr euch bewähren
könnt, wollen wir jetzt weitermarschieren. Ich muß nur noch hören, ob ich etwas
über das Volk der Wirsche erfahren kann.«
    »Frag doch die Schatten.«
    »Die Schatten kann man nicht fragen,
die sind stumm, aber die Quellenfröttchen...« Kalle beugte sich über das Wasser
und rief: »Quellenfröttchen, habt ihr die Wirsche gesehen?«
    Auf diesen Anruf tauchten aus dem
sprudelnden Wasser große grüne Augen, es mochten wohl hundert oder mehr sein.
Es schien, als schwämmen sie ganz allein auf der Quelle, aber sie gehörten doch
zu zarten, blassen Gesichtern. Sie waren so leuchtend und groß, daß die
Gesichtchen beinahe nur aus Augen bestanden.
    »Habt ihr die Wirsche gesehen?«
wiederholte Kalle.
    »Gewiß, sie zogen vorbei«, murmelte es
zurück.
    »Gingen sie den üblichen Weg?«
    »Den üblichen Weg.«
    »Ich danke euch.«
    Die Augen verschwanden wieder, und
Kalle deutete dem unterirdischen Wasserlauf nach, der von der Quelle aus durch
die Felsen floß. »Hier müssen wir weiter bis zur weißen Grotte.«
     
     
     
    6. Kapitel

Geheime
Nachricht in der weißen Grotte
     
    Sie folgten dem Bach, der in Windungen
durch einen langen Tunnel dahinfloß. Das Gewölbe hing an manchen Stellen so
tief herab, daß sie in ihrer Erdmännchengröße gerade noch aufrecht gehen
konnten. An der engsten Stelle öffnete sich der Gang plötzlich, und sie standen
in einer Grotte.
    Die Grotte war weiß und ganz angefüllt
mit Säulen. Überall ragten Säulen aus dem Boden auf; sogar von der Decke hingen
sie herunter. Es rieselte feucht und kühl von den Wänden.
    »Das ist eine Tropfsteinhöhle«,
erklärte Kalle Wirsch. »Hier könnt ihr mal sehen, was so ein unscheinbarer
Wassertropfen vermag. Er tropft und tropft, bis er einen Stein ausgehöhlt hat,
aber er kann auch Steine bilden, so wie hier.«
    »Wie macht er das, der Wassertropfen?«
fragte Max.
    »Mit dem Kalk macht er das. Jeder
Wassertropfen enthält ein winziges bißchen Kalk. Wenn ein Tropfen immer auf
dieselbe Stelle fällt, pong — pong — pong, ganz langsam, Tag für Tag, Jahr für
Jahr, dann verdunstet das Wasser, und der feste Kalk bleibt übrig. Zuerst
wachsen kleine Buckel, dann Zapfen und Säulen. — Das braucht natürlich Zeit.
Aber wir haben ja so viel Zeit unter der Erde. Wir können warten, bis etwas
gewachsen ist. Bei uns muß nicht alles so schnell fertig sein wie bei euch
Menschen.«
    »So sieht eine Tropfsteinhöhle aus«,
sagte Max und befühlte die weißen Kalkgebilde. »Das muß ich mir genau ansehen
für den Erdkundeunterricht.«
    Max kroch durch die Säulenreihen und
in die Seitengänge der Höhle, bis Kalle Wirsch rief: »Jetzt ist aber Schluß mit
der Erdkunde, komm zurück!«
    »Gleich, gleich, ich komme schon«,
antwortete Max. Aber dann kam er doch nicht gleich. Er hatte nämlich an einer
Wand etwas Merkwürdiges entdeckt, das ihm

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