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Kleiner König Kalle Wirsch

Kleiner König Kalle Wirsch

Titel: Kleiner König Kalle Wirsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilde Michels
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in seinem Kopf wie eine Nebelwand, die er nicht durchstoßen
konnte.
    Er hatte vergessen, daß er Kalle hieß,
und er wußte nicht mehr, daß er ein König war.
    >Vielleicht sehe ich doch so aus
wie die andern<, überlegte er, >so scheußlich bunt gelackt.<
    Wenn er nur den Kopf wenden und sich
betrachten könnte! Aber der Kopf saß fest wie Gußeisen. Um sich Gewißheit zu
verschaffen, äugte Kalle an sich herunter; er verdrehte die Augen und schielte
nach allen Richtungen. Was er jedoch an sich erspähte, machte ihn völlig
mutlos: Er hatte also auch eine glänzende Knollennase, einen Krausbart und eine
giftgrüne Schürze. Die rote Zipfelmütze konnte er natürlich nicht sehen, aber
er zweifelte nicht daran, daß auch auf seinem Kopf so ein lächerliches Ding
thronte.
    Es schien also keinen Unterschied zu
geben zwischen ihm und den komischen Kerlen da, und doch wußte er ganz genau,
daß er nicht zu ihnen gehörte.
    Was war nur los mit ihm? — Wer war er?
    Traurig starrte Kalle durch die Schaufensterscheibe
auf die Straße. Menschen hasteten vorüber. Menschen hatte er früher schon
gesehen, die erkannte er wieder.
    Auf der Straßenseite gegenüber befand
sich eine Gaststube, in der man Bier und belegte Brote kaufen konnte, kaltes büffet stand in bunter
Leuchtschrift darüber. Die Buchstaben gingen an und aus, an und aus, immer
einer nach dem andern.
     
    K-A-L-T-E-S B-Ü-F-F-E-T
    K
    K-A
    K-A-L
     
    Kalle! durchzuckte es ihn. Kalle
Wirsch! — Das war er. Das war sein Name. Darüber konnte kein Zweifel sein. t-e-s b-ü-f-f-e-t schrieb die
Leuchtschrift weiter, und dann begann sie von vorn k-a-l ...
    »Kalle«, flüsterte der kleine König.
Er klammerte sich an diese einzige Erinnerung, die ihm aus dem Bereich hinter
der Nebelwand gekommen war.
    »Kalle, Kalle Wirsch«, wiederholte er
immer und immer wieder, als müsse es gelingen, mit diesem Namen noch mehr
hervorzuziehen aus dem Nebel. Aber mehr wollte nicht kommen.
    Kalle rollte die Augen zu seinem
rechten Nachbarn. Es war ein Pausback, der seinen Mund zu einem breiten Lachen
verzog. »Hoffentlich grinse ich nicht auch so von einem Ohr zum andern<,
dachte Kalle. >Das sieht doch zu dumm aus, wenn einer immerzu ohne Grund
lacht.<
    Vielleicht konnte er aber doch etwas
erfahren von diesem Pausback. Der sah so fröhlich aus, der wußte sicher ganz
genau, wer er war und was es bedeutete, daß sie alle in diesem Schaufenster
standen.
    »Guten Tag«, begann Kalle die
Unterhaltung.
    Es waren die ersten Worte, die er seit
seiner Verwandlung laut sprach, und er wunderte sich, wie dumpf seine Stimme
klang. Wie aus einer Gießkanne. Er spürte auch etwas Festes vor dem Mund, das
ihn hinderte, die Lippen richtig zu bewegen.
    >Wenn mein Mund ebenso steif
gelackt ist wie meine Nase, dann ist das kein Wunder<, dachte er.
    Der Pausback hatte Kalles Gruß nicht
erwidert, trotzdem versuchte es Kalle noch einmal. »Wären Sie bitte so
freundlich, mir zu erklären, wer Sie sind?« fragte er.
    Der Pausbäckige blieb stumm.
    »Sagen Sie doch etwas«, bat Kalle,
»irgend etwas.«
    Als aber wieder keine Antwort kam,
begriff Kalle, daß dieser Zipfelmützenkerl überhaupt nicht reden konnte. Er
bestand aus einer ganz und gar leblosen Masse. Jetzt hatte Kalle die Gewißheit,
daß er wirklich etwas anderes war — aber was?
    Während er wieder in tiefe Grübelei
versank, hörte er das Klingeln einer Glocke, eine Tür ging auf, und dann
vernahm er menschliche Stimmen.
    »Bitte sehr, hier«, sagte jemand,
»wenn ihr euch einen aussuchen wollt. Wir haben eine große Auswahl an
Gartenzwergen.«
    Dann wurde Kalle Wirsch gepackt und
mit einigen anderen auf einen Tisch gestellt. Also Gartenzwerge waren das,
soviel wußte er jetzt wenigstens.
    Von dem Tisch aus konnte er den ganzen
Laden überblicken. Er sah die Verkäuferin und zwei Kinder, die gekommen waren,
um einen Gartenzwerg zu kaufen. Es waren ein Junge und ein Mädchen, und sie
gefielen Kalle auf den ersten Blick.
    »Hoffentlich kaufen sie mich<,
wünschte er. >Ich muß unbedingt hier raus.<
    Die Kinder betrachteten alle Zwerge
sehr genau.
    »Den da vielleicht?« meinte das
Mädchen und nahm den kleinsten vom Tisch.
    »Lieber einen größeren«, sagte der
Junge.
    »Den mit der Laterne?«
    »Der ist zu dick.«
    »Und der mit dem Schubkarren?«
    Der Junge prüfte den Zwerg mit dem
Schubkarren eingehend und erklärte dann: »Der ist in Ordnung, Jenny, den nehmen
wir.«
    >Vorbei<, dachte Kalle
niedergeschlagen, >vorbei, sie nehmen einen

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