Kleiner Musicalratgeber für Anfänger und Fortge
man fündig werden.
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Das Aufnehmen von Musicalitis als Krankheitsbild in einen medizinischen Ratgeber würde auch noch aus einem anderen Grund durchaus Sinn machen, ja sogar für viele von uns Vorteile bringen: Denn wäre Musicalitis eine anerkannte Krankheit, würde das schlussfolgernd nicht bedeuten, dass ein fürsorglicher Arzt alles dafür tun müsste, um das Leiden seiner Patienten zu lindern und für dessen Rekonvaleszenz zu sorgen?
Meine Meinung diesbezüglich ist klar und so träume ich bereits von dem Tag, an dem mir der behandelnde Arzt meines Vertrauens Musical auf Rezept verschreibt. Statt: »Besorgen Sie sich die Tabletten in der Apotheke!« hieße es dann: »Fahren Sie sofort nach London und schauen Sie sich umgehend ›Phantom of the Opera‹ sowie mindestens noch drei andere Stücke Ihrer Wahl an!« Mal ehrlich – wäre das nicht eine wunderbare Zukunftsvision? Und träumen wird man ja wohl noch dürfen!
Crashkurs der Musicalgeschichte
Bevor wir beginnen: First things first
W IR sind jetzt an einem Punkt angelangt, wo wir etwas tiefer in die Materie eintauchen wollen. Ich weiß nicht, ob ihr das kennt, aber immer, wenn ich mich für etwas begeistere, dann überfällt mich das Verlangen, möglichst viel über diese Sache zu erfahren, Hintergründe zu beleuchten und zum Experten dafür zu werden. Mit dem Musical verhält es sich nicht anders. Genauso wie ich anfänglich wissen wollte, was sich hinter dem »Theaterlatein« verbirgt, so wollte ich später auch mehr über das Musicalgenre an sich erfahren. Dieses Kapitel beschäftigt sich – so kurzweilig wie möglich – ein wenig mit der Entstehung des Genres.
Wer hier hoch wissenschaftliche Ausführungen erwartet, den muss ich enttäuschen: Das Thema ist nämlich so komplex und weit, dass es unmöglich wäre, es auf so wenigen Seiten zu erörtern und ihm dabei voll gerecht zu werden. Vielmehr wollen wir einen kleinen Crashkurs machen und etwas hineinschnuppern in die Entstehungsgeschichte. Wer dadurch Blut geleckt haben sollte, der sei hier auf die vielen guten Essays, Artikel und Bücher zu dem Thema hingewiesen.
Musical – die Oper für Arme?
Wenn wir uns heute auf dem Musicalmarkt etwas umschauen, dann könnte man meinen, Musical sei schon immer so populär gewesen wie heute. Doch weit gefehlt! In der Tat muss das Genre seit seiner Entstehung in Amerika des frühen 19. Jahrhunderts teilweise immer noch mit dem Vorurteil kämpfen, Unterhaltung für die weniger intelligente Masse zu sein. Entertainment fürs Volk sozusagen; für diejenigen, die für Oper und deren kleine Schwester, die Operette, vermeintlich nicht klug genug sind. Doch ist das denn tatsächlich so? Mitnichten! Aber wie ist das Musical eigentlich entstanden, wo hat es seine Ursprünge?
Hier in Deutschland verbindet die breite Masse mit Musical immer noch vorrangig eins: Andrew Lloyd Webber. In der Tat gilt er für viele Fans als absoluter Musical-Gott. Aber ist das auch berechtigt? Die Frage muss wohl jeder für sich selbst beantworten, aber einige Fakten sprechen tatsächlich dafür: Er war es, der das Musical in den 1980er Jahren in Deutschlandsalonfähig machte und der mit seinen Stücken auch heute noch die Theaterkassen klingeln lässt. »Jesus Christ Superstar«, »Phantom der Oper«, »Cats« und »Starlight Express« – das sind eben Klassiker, die auch heutzutage nicht aus der modernen Musicalwelt wegzudenken sind und die den Ruf des Engländers als musikalisches Genie zweifellos untermauern. Doch wer nun meint, Lloyd Webber wäre so etwas wie der Erfinder des Musicals, der irrt: Man kann Lloyd Webber zwar Vieles zuschreiben, aber in diesem Punkte baute er nur auf bereits bestehenden Grundlagen auf.
Ursprünge, Entstehung und Weiterentwicklung
Wer aber hat denn nun das Musical erfunden? Und gibt es so etwas wie das Musical überhaupt? Fragen über Fragen, die wir hoffentlich klären können! Um dies zu tun, müssen wir zunächst über den großen Teich zu unseren amerikanischen Nachbarn blicken. Denn dort befinden sich, so sind sich die meisten Musical-Experten einig, die Ursprünge des Genres. Die USA galten ja schon von jeher als »Melting Pot« und deshalb überrascht es nicht wirklich, dass es in der »Neuen Welt« noch nie so strikte Unterscheidungen zwischen Sprech-, Sing- und Tanztheater gab wie beispielsweise hier in Deutschland. Alles war dort sozusagen mehr im Fluss und nicht so scharf abgegrenzt wie hier. Als Konsequenz dieser Offenheit fand man
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