Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kleiner Werwolf - Funke, C: Kleiner Werwolf

Kleiner Werwolf - Funke, C: Kleiner Werwolf

Titel: Kleiner Werwolf - Funke, C: Kleiner Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
Vom Netzwerk:
sehen.
    »Komm!« Lina zerrte ihn hinter sich her, raus aus dem Tunnel, unter die Laterne.
    Motte kniff die Augen zu und hielt ihr die Hand hin. Ganz heiß fühlte sie sich an. Heiß und klopfend.
    »Na, ein Glück!«, seufzte Lina. »Sieht nicht so schlimm aus.«
    »Wirklich?« Motte wagte immer noch nicht sich die
    Bescherung anzusehen. »Ist sie – ist sie nicht irgendwie zerfetzt oder so?«
    »Quatsch!« Lina kicherte. »Ist nur ein Kratzer.«
    Zögernd öffnete Motte die Augen. »Ich kann einfach kein Blut sehen. Ganz komisch wird mir davon.«
    »Hm, schwer zu glauben.« Lina zog ein Taschentuch aus der Jacke und wickelte es ihm um die Hand. »Und was ist mit den Filmen, in die du mich immer schleppst?«
    »Filme sind was anderes«, sagte Motte.
    Auf wackeligen Beinen folgte er Lina über die Straße, vorbei an den Geschäften, die gerade schlossen, bis sie vor dem Haus standen, in dem sie beide wohnten – Motte im Erdgeschoss, Lina ganz oben.
    »Na, dann.« Lina stieß die Tür auf. »Und geh morgen zum Arzt, ja? Wegen Tollwut und so.«
    »Ja, ja!« Motte guckte ihr nach, wie sie mit langen Beinen die Treppe hinauflief. Dann versteckte er die verletzte Hand in der Jackentasche und drückte auf die Klingel.

[zurück]
Fell und Krallen
    Mottes Eltern und sein großer Bruder Paul saßen schon beim Abendessen.
    »Na, wie war der Film?«, fragte Paul.
    »Spitze.« Motte verbarg seine Hand unterm Tisch, aber mit einer Hand kann man sich kein Brot schmieren.
    »Was hast du denn mit deiner Hand gemacht?«, fragte Mama.
    »Och, nur ein Kratzer«, sagte Motte.
    »Lass mal sehen!« Mama griff über den Tisch, aber Motte ließ die Hand schnell wieder verschwinden. Wenn seine Mutter sah, dass das ein Biss war, würde sie ihn sofort zum Arzt schleppen. Und Ärzte mochte Motte noch weniger als Hunde. Ärzte wurden nur noch von Biolehrern übertroffen, aber das war eine andere Geschichte.
    »Wir schreiben morgen Mathe«, sagte er schnell. Das war eine Notlüge, lenkte seine Eltern aber garantiert ab.
    »Oje!«, sagte Mama.
    »Hast du auch genug geübt?«, fragte Papa. »Am besten setzt du dich heute Abend noch mal eine Stunde mit deinem Bruder zusammen.«
    Paul war in Mathe ein Ass. Selbstzufrieden thronte er Motte gegenüber, knapp zwei Jahre älter, einen Kopf größer und durch kein Schulfach der Welt zu verunsichern.
    »Wie sieht’s aus, kleiner Bruder?«, fragte er. »Mal wieder etwas Nachhilfe fällig?«
    »Nee, ist nur ein kleiner Test«, antwortete Motte und stopfte sich zwei Scheiben Wurst in den Mund. »Das kann ich auch alleine.« Er schnupperte. »Igitt, ihr habt wieder diesen Stinkkäse gekauft, was? Ist ja nicht auszuhalten.«
    »Wieso?« Überrascht sah seine Mutter ihn an. »Den hab ich doch extra im Kühlschrank gelassen. Da kannst du ihn ja wohl schlecht riechen, oder?«
    »Im Kühlschrank?«, murmelte Motte. Er roch den Käse ganz deutlich. Komisch.

    »Also wenn hier was stinkt, mein Lieber«, sagte Paul, »dann bist du das. Du stinkst aus dem Mund wie Klopoteks Boxer. Was hast du gemacht? Eine Dose Hundefutter gegessen?«
    Bei dem Wort »Hund« verschluckte Motte sich und bekam einen Hustenanfall.
    »Mein Gott, wirklich.« Seine Mutter rümpfte die Nase. »Paul hat recht. Du hast einen fürchterlichen Mundgeruch. Putz dir bitte die Zähne, ja?«
    »Bin ja schon weg.« Motte stand auf. Seine Haut juckte wie verrückt. Vor den Augen sah er gelbe Blitze. Er fühlte sich komisch. Sehr komisch. Fing Tollwut so an?
    Er stolperte ins dunkle Badezimmer. Sonst suchte er immer stundenlang im Dunkeln nach dem Lichtschalter, aber jetzt konnte er ihn ganz deutlich erkennen. Merkwürdig. Er schloss die Tür hinter sich, ohne das Licht einzuschalten. Ja, wirklich, alles war ganz deutlich zu sehen. Sogar die Schrift auf dem Pickelwasser seines Bruders konnte er lesen. Die Dunkelheit war nur ein feiner grauer Schleier.
    »Komisch«, murmelte Motte. Er rieb sich das juckende Gesicht. Seine Backen fühlten sich an wie der Dreitagebart seines Vaters.
    Dann guckte er in den Spiegel – und machte vor Schreck einen Schritt zurück, sodass er fast in die Badewanne kippte.
    Gelbe Augen.
    Gelbe Augen hatten ihn angestarrt.
    Aus einem grässlichen, haarigen Monstergesicht.
    Motte guckte auf seine verletzte Hand. Sie war haarig wie ein Meerschwein, mit spitzen, kleinen Krallen anstelle der Fingernägel. Die andere Hand sah völlig normal aus. Vorsichtig guckte Motte unter sein T-Shirt. Kein einziges Haar. Na, wenigstens

Weitere Kostenlose Bücher