Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden
Konzentration bei, da die Hände sich so nicht nebenbei mit anderen Dingen beschäftigen können – ein Ausdruck dafür also, dass der Beter nun zur Ruhe kommen und seine Aufmerksamkeit auf Gott richten will. Das Händefalten mit ineinander verschlungenen Fingern als Variante wurde wohl erst in der Reformationszeit üblich, wobei sich allerdings nicht sagen lässt, ob dieser Haltung ursprünglich auch eine besondere Bedeutung zugeschrieben wurde. Gebetshaltungen können also die innere Haltung zum Ausdruck bringen, in der wir Gott gegenübertreten; verbindliche Vorschriften, wie das geschehen müsse, gibt es nicht. Wenn Jesus darauf hinweist, dass das Beten »im Verborgenen« geschehen solle, macht er dadurch nur deutlich, dass es gerade nicht darum gehen kann, sich mit auffälligen Gesten möglichst fromm zu präsentieren.
Beten ist nichts Äußerliches, sondern ein privates, intimes Vor-Gott-Treten des Menschen. Ein echtes Gebet kommt ebenso wenig durch Äußerlichkeiten wie Händefalten zustande wie durch besonders gut auswendig gelernte Sätze. Was zählt, ist die innere Haltung und offene Bereitschaft Gott gegenüber. Dann wird das Beten durch das Beten selbst erfahrbar und die Gebetshaltungen ergeben sich je nach Situation und Anliegen ganz von selbst.
Jesus wurde in BETHLEHEM geboren
»Zu Bethlehem geboren« singen Kirchenbesucher alljährlich im Weihnachtsgottesdienst und verfolgen im von den Kindern der Gemeinde stolz aufgeführten Krippenspiel, wie Josef mit der hochschwangeren Maria nach Bethlehem zieht. Nach langer vergeblicher Herbergssuche kommt Jesus dort in einem Stall zur Welt — das weiß doch jedes Kind. Wieso also sollte das ein Irrtum sein? Weil an anderer Stelle der Bibel von Nazareth als Herkunftsort Jesu die Rede ist. »Jesus, der Nazarener« heißt es da, oder »Jesus von Nazareth«. Schaut man sich die Evangelien genauer an, stellt man fest, dass sich Erzählungen über die Geburt Jesu nur bei Lukas und Matthäus finden, und nur dort ist auch von Bethlehem als Geburtsort die Rede. Wohnort Josefs und die Heimat der Familie hingegen war nach diesen Evangelien das kleine Dorf Nazareth, in dem auch Jesus »aufgewachsen war« (Lukas 4,16).
Aber das heißt doch noch nicht, dass Jesus dort geboren wurde, könnten aufmerksame Weihnachtsgottesdienstbesucher jetzt einwenden, schließlich musste Josef damals doch wegen einer Steuerschätzung nach Bethlehem: »Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle
Welt geschätzt würde …« (Lukas 2,1). Stimmt. Aber einiges spricht dafür, dass es den beiden Evangelisten gar nicht darum ging, historische Tatsachen zu schildern, sondern darum, schon in den Geburtsgeschichten die Bedeutung, die Jesus ihrer Meinung nach hatte, hervorzuheben.
Nach Jesu Tod wuchs bei seinen Anhängern trotz seines schmachvollen Kreuzestodes der Glaube, Jesus sei der im Alten Testament angekündigte Messias. Außerdem nahm, mit wachsendem zeitlichem Abstand, auch das Interesse an Jesu Lebensgeschichte über die kurze Zeit seiner Wanderpredigertätigkeit hinaus zu. Was aber tun als Evangelienschreiber, wenn so gut wie keine Informationen über die Kindheit Jesu vorliegen? Sie griffen die Legenden auf, die sich unter den ersten Christen verbreitet hatten, und verknüpften sie im Sinne des Glaubens mit Informationen, die schon gleich zu Beginn des Evangeliums die Bedeutung Jesu deutlich machen. »Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei« (Micha 5,1), heißt es im Alten Testament, und auf diese Verheißung beruft sich Matthäus (Matthäus 2,6) ausdrücklich, wenn er Jesus in Bethlehem geboren sein lässt. Lukas betont, Jesus komme aus der »Stadt Davids« (Lukas 2,4); auch dies ist für die Menschen seiner Zeit, die die alttestamentlichen Schriften kannten, ein deutlicher Hinweis auf die Bedeutung Jesu: Aus Bethlehem, der Stadt Davids, des ersten großen Königs Israels, sollte der Überlieferung nach der Messias kommen.
Fakt ist: Die Weihnachtsgeschichten fanden erst recht spät Eingang in die Überlieferung. Da zu Lebzeiten Jesu und auch in den ersten Jahren nach seinem Tod keinerlei Interesse an einer Beschreibung seiner Kindheit vorhanden war, wissen wir heute nichts historisch Nachprüfbares über die Geburt Jesu. Sehr wahrscheinlich aber gehören unsere romantisch-schönen Vorstellungen von der Heiligen Familie im sternenbeschienenen Bethlehemer
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