Kleines Lexikon psychologischer Irrtümer - von Abhängigkeit bis Zwangsneurose
verwirrte Individuen, die das Unrealistische einer Wunsch- und Verwöhnungswelt nicht begriffen haben. Den Nachreifungsprozess hat nun die Justiz übernommen.
Stimulanzien
Zentral anregende Psychopharmaka.
Meiden Sie psychotherapeutische Gespräche wie der Teufel das Weihwasser. Gehen Sie den direkten psychopharmakologischen Weg, machen Sie es wie Jean-Paul Sartre. Sein Motto war: Verzweiflung ist das größte Attentat gegen sich selbst. Amphetamine und Koffein wurden gegen Schreibblockaden und für die Inspiration genutzt, Analgetika halfen gegen Schmerzen und mit Whisky ließ
sich beides positiv beeinflussen. »Triebaufschub« und »Einübung in Erhöhung der Frustrationstoleranz«, diese pseudo-intellektuellen Worthülsen können Sie getrost irgendwelchen analytischen Hohlköpfen überlassen.
Störung
Äußerst fragwürdige Kopfgeburt, die in einer fast hysterischen Neuerungssucht in die moderne psychiatrische Klassifikation eingeführt wurde, um den bisherigen, angeblich vielseitig vorbelasteten Begriff Krankheit zu vermeiden. Es muss schon recht aufbauend für psychisch Kranke sein, als »gestört« bezeichnet zu werden.
Stress
Das Erlebnis der Anforderungen im entfesselten Individualismus. Der Urschlamm des biopsychosozialen Modells für psychische Erkrankungen schlechthin. Wenn Gesundheit als Zustand völligen seelischen und sozialen Wohlbefindens definiert wird, dann hat der Vorrat an Stress kosmische Dimensionen angenommen.
Suchttherapeut
Eine ganz besondere Spezies unter den Therapeuten. Nimmt täglich am Gesangsunterricht für das hohe Lied der Konsequenz teil. Darüber hinaus hat er seinen Patienten kaum etwas mitzuteilen. Und ob er jemals lernt, dass Konsequenz nichts weiter ist als ein Kobold in engen Köpfen, ist mehr als zweifelhaft.
Supervision
Eine Art Kontrolleinrichtung, in der der Therapeut dem Supervisor über die Schwierigkeiten mit seinen Patienten berichtet. Hierbei sollen Fehler in der therapeutischen Vorgehensweise aufgeklärt werden.
Das goldene Kalb der Psychiatrie. Die Supervision soll die Chance geben, durch einen externen Psychofachmann, der die Patientengeschichte »auf sich wirken lässt«, neue Aspekte und therapeutische Optionen zu entwickeln. Tatsächlich die willkommene Gelegenheit, sich im stressigen Klinikalltag in gemütlicher Runde unter Kollegen zusammenzusetzen und mal nicht von schwierigen Patienten genervt zu werden. Hierbei wird trotzdem das Gefühl vermittelt, für die Patienten tätig zu sein, indem »Fantasien« und »Bilder« oder »Versionen« ausgetauscht werden.
T
Täter
Eindeutig psychisch krank. Und in erster Linie Opfer: Opfer seiner Gehirnmoleküle, die irgendwie aus dem Takt geraten sind. Durch Diskriminierung, schlimme Kindheit, Migrationshintergrund, bildungsfernes Milieu, genetische Vorbelastung sowieso, ständige Gewaltpräsentation in den Medien, inkompetente und überforderte Lehrer, mangelnde Vermittlung von Disziplin, kultureller Verfall überhaupt. Der Täter gehört einer aussterbenden Spezies an. Die Zukunft gehört dem Opfer.
Tiefenpsychologie
Teilgebiet der Psychologie, welches sich mit dem unbewussten Motiven menschlichen Verhaltens beschäftigt.
Wie feucht-schlüpfrig ihr unbewusstes Gedankengut ist,
warum sie ständig ihre Vorgesetzte zur Weißglut bringen, obwohl sie eigentlich, natürlich ohne dass ihnen das bewusst ist, viel lieber Sex mit ihr hätten, damit befasst sich die Tiefe der Psychologie. Daneben auch mit ebenso existenziellen Fragen wie: Warum hat mir meine Schwester auf der Erstkommunion den Stuhl unter dem Allerwertesten weggerissen und wie hat dies meine Beziehungsfähigkeit maßgeblich geprägt? Wie konnte ich eine halbwegs stabile Persönlichkeit entwickeln, obwohl meine Mutter Lehrerin und mein Vater Rechtsanwalt war? Oder warum habe ich meiner Schwester im Sandkasten die Förmchen geklaut? Fühlte ich mich ihr gegenüber zurückgesetzt? Oder lauert hier nicht doch vielmehr ein frühkapitalistischer Interpretationshintergrund?
Die Never-Ending-Story des Aufarbeitens hat endlich begonnen, die Stunde der therapeutischen Parallelgesellschaft geschlagen.
Thematisieren
Man kann alles thematisieren. Wie z. B. die kulturanthropologische Interpretation des Spaltungsirreseins im Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts oder den Verarmungswahn von Dagobert Duck aus tiefenpsychologischer Sicht. Wer nach der Sinnhaftigkeit dieser Thematisierungen fragt, gilt als Spielverderber. Im Medienzeitalter gilt: Ich
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