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Kleines Lexikon psychologischer Irrtümer - von Abhängigkeit bis Zwangsneurose

Kleines Lexikon psychologischer Irrtümer - von Abhängigkeit bis Zwangsneurose

Titel: Kleines Lexikon psychologischer Irrtümer - von Abhängigkeit bis Zwangsneurose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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thematisiere, also bin ich.
    Therapiejargon
    Wer sich ganzheitlich spirituell wahrnimmt, der kann auch der gefühlten Negativität positive Aspekte abgewinnen und nach einer authentischen Auszeit mit traumvollen und albtraumlosen Nächten in Verbindung mit einem dezenten Hauch an Supervision neue historische Hintergrundaspekte in seinem kritisch durchleuchteten metaphysischen Selbst facettenreich erspüren. Wenn dann das eigene Gehirn mit der virtuellen Welt ein fast schon inzestuös geflochtenes Band mit kontinuierlichen Rückkopplungen und Selbstbefruchtung bewirkt, dann hat sich der mit Bedeutung aufgepumpte Therapiejargon in den eigenen Schwanz gebissen. Nach Entweichen der Luft bleibt nichts.
    Das Vokabular ist schlicht Unsinn in rhetorisch elegant verkleideter Form. Ihre Schöpfer haben eines gemeinsam: Ein kompliziertes Selbst. Je komplizierter das Selbst, umso merkwürdiger die Bedürfnisse und umso verzerrter die Wahrnehmung. Das ist das Prinzip des Therapiejargons, durch das die geringsten Umstände eine ungeheure Wichtigkeit erfahren.
    Therapeut, guter
    Hat eine mindestens siebenjährige Zusatzausbildung in Provokationstherapie und spricht in den ersten 25 Therapiesitzungen ausschließlich über sich und seine eigenen Probleme. Patienten, die brav zuhören, dürfen weiter kommen.
Somit lernen sie, dass es Leute gibt, die deutlich weniger Tassen im Schrank haben als sie selbst. Darüber relativiert sich einiges und echte Heilungsprozesse werden in Gang gesetzt.
    Therapeut, schlechter
    Hat mindestens 20 Semester Betroffensein studiert und zusätzlich Kurse in Achtsamkeit und Empathie belegt. Patienten können sich somit in ihr eingebildetes Elend (und den Luxus ihrer Depression) geschickt hineinsuggerieren. Die Zementierung des Krankenstandes gehört zur Methode, sie bildet das finanzielle Fundament für die nächste Therapeutengeneration.
    Therapiekultur
    Die drei Zyklen lauten:
Reflektiert (Freud)
Supervidiert (nach 1945)
Paralysiert (Gegenwart)
    Tierheilpraktiker
    Ihr Wellensittich ist nicht mehr gesellig, hackt derb nach seinen Artgenossen und zieht sich zurück? Sie ahnen schon das Schlimmste und vermuten eine ornithologische Autismusvariante?
    Der Tierheilpraktiker wird’s richten: Nach dem Prinzip der Ähnlichkeit wird er ein homöopathisches Mittel auswählen, das dem Piepmatz bei seiner Daseinsbewältigung am besten helfen wird. Ersatzweise geht auch hundertausendfach verdünntes Ritalin in destilliertem Wasser. Damit bitte ihren Vogel einmalig achtsam einsprühen mithilfe eines Blumensprühers. Kostet 250 Euro, lohnt sich aber. Denn schon am nächsten Tag wird der Wellensittich seiner blonden Öko-Lady fröhlich ins Ohr zwitschern: »Hallo Mausi, wie geht es Deinem Vögelchen?«
    Toleranz
    Nicht ganz dicht und offen für alles sein.
    Traumdeutung I
    Der ausgelatschteste Trampelpfad zum Unterbewusstsein. Schlüpfrig und glitschig in der Art eines psychohistorischen Morastes. Wer freiwillig solch einen Pfad beschreitet, sollte nicht nur seinen weißen Kittel, sondern
am besten auch seine Approbationsurkunde an den Nagel hängen, um in Zukunft zum Clown der Therapiegesellschaft zu avancieren.
    Traumdeutung II
    Das Kaffeesatzlesen der Interpretationsartisten, auch Psychotherapeuten genannt. Methode der Wahl ist die freie Assoziation, d.h. jeder kann mitreden, der schon einmal auf einer Coach gelegen hat. Und schon kann’s losgehen.
    Ein Hauptschullehrer in Berlin-Neukölln träumte, er habe einen Schüler mit Migrationshintergrund der Schule verwiesen. Die politisch korrekte Traumdeutung besagt, dass er
einfach nicht begreifen will, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist;
sich über seine Ehefrau geärgert hat;
im Grunde selbst der Schule verwiesen werden möchte.
    Lösung: Selbstverständlich b).
    Der politisch korrekte Pädagoge ist so verliebt in Deeskalation und Gender-Theorien, dass er seiner verzickten Ehefrau noch nicht einmal im Traum die Meinung sagen darf.

U

    Über-Ich
    Obere Instanz der Persönlichkeit. Der Richter über das Ich, auch Gewissen genannt. Natürlich völlig realitätsblind und fernab vom Pragmatismus, wie sonst bei Juristen üblich. Das Über-Ich will einfach nicht wahrhaben, dass Familien ein idealer Nährboden für Lebenslügen sind. Gern wurde es jahrhundertelang von seinem früheren Wahlverbündeten bestärkt, dem katholischen Pfarrer. Dieser wiederum erfährt harsche Kritik vom Verbündeten des Es, dem Therapeuten, der aber auch eine Vermittlerrolle zwischen Es und

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