Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
Vom Netzwerk:
ergo bis zur Farblosigkeit neutralisiert, gewissermaßen grammatikalisiert; 3) der sichere Sieger kann sich eine burschikosere Sprache leisten, als der zu Verzweifelnden sprechende Verlorene. 4) u. hauptsächlich: Churchill wahrt immer eine anständig alltägliche, gebildet familiäre Mittellinie des Tones, während G. äußerste Spannung zwischen höchstem Pathos u. proletarischer Gemeinheit liebt. Im Augenblick des nahen Untergangs ist dieses Hin u. Her unerträglicher als je zuvor. Im gleichen Artikel (Die Erfüllung der täglichen Pflicht) schreibt * G., das deutsche Volk schöpfe aus seiner tiefen Gläubigkeit geheimnisvolle Kraft, es glaube an ein höheres Walten in der Geschichte u. eben deßhalb an seinen deutschen Sieg: Es führt diesen Krieg wie ein Gottesgericht . Wenn man den ganzen Unflat dieses Stils, u. damit dieser Creatur, erfassen will, muß man das Gottesgericht mit dem Boxerbild zusammendenken .. Zwei Einzelworte des Artikels: Engpaßerscheinungen des Krieges (alt); der Feind kann uns trotz seiner Schwerpunktbildungen nirgends lahmlegen. Schwerpunkte des Kampfes findet man seit ein paar Wochen, seit dem Beginn der Herbstoffensive im Westen, glaube ich, im Heeresbericht.
     

 
    Dienstag Vorm. 5. XII. 44 .
     
    * Arnold Zweig: Die Novellen um Claudia. Copyright 1930 Kiepenheuer Berlin.
    Es sind wirkliche Falkennovellen: 1) Das am Postpaket erweist Walter Rohme seine schwankende * Weislingennatur 3 u. Claudia Eggeling ihre Liebe zu ihm; 2) am 13. Blatt verübt der Künstler Verrat, indem er des Verlegers halber die segnende Gestalt über den nackten Liebespaaren aus Christus in Aphrodite ändert, u. Claudia ist hier so unduldsam gegen Confessionen, wie vordem liebend verständnisvoll; 3) der fallende Stern läßt den Musiker Ruhm wünschen statt Liebe, u. wieder ist Claudia auf der Gegenseite; 4) das Album ist die Rettung der vereinsamt in ihre Erinnerungen flüchtenden alten Mutter an C s Hochzeitstage; 5) die Anekdote der keuschen Nacht beendet die Schwierigkeit der Hochzeitsnacht zwischen Claudia u. Walter; 6) die Passion (Mathaeuspassion) erweist die physisch p physisch-psychischen Unterschiede der Geschlechter: Er in Ekstase, u erbittert, daß Cl. schläft, sie übermüdet menstruationis causa, der Erdgebundenheit halber; 7) die Sonatine, Walters Jugenderinnerungen weckend, ihn zur Beichte von Pubertäts-Unsauberkeit u. = Verirrung treibend, scheint das Paar erst zu trennen u. vereint es dann um so fester, da sie sich nun des ganzen Lebens annehmen u. nicht mehr künstlich abgetrennt in künstlich reiner Sphäre allein halten wird. – Und es sind auch alle sieben Novellen um Claudia, da ihre Gestalt jedesmal, auch wo sie nur die zweite Rolle spielt, mehr erleuchtet wird. Sie ist das reiche, gepflegte, sittlich, geistig, gesellschaftlich, sportlich hochgezüchtete Mädchen, deutsche Patrizierin aus dem Anfang des Jh s – Abitur, Studien, Thennis Tennisturnier, Reiten, Musik, sehr viel Musik, Umgang mit Malern u. Dichtern, angstvoll auf Reinheit[,] auf Abtrennung vom Gemeinen bedacht (bis zum Erlebnis der letzten Novelle), sie heiratet den Philosophiedozenten aus kleinbürgerlichem Haus, der zu ihr u. ihrer Schicht hinauf-, und gleichzeitig auf beide hinabsieht. um sie bewegt sich ein Kreis von Künstlern.
    Technisch gut, haben die Geschichten durchweg geistigen Gehalt u. ein paarmal fraglos auch starkes Gefühl – mindestens das eine Mal, bei der Verlassenheit der Mutter (Album).
    Dennoch das durchgängige Charakteristikum heißt: Aesthetentum u. maßlos übersteigerter Intellektualismus . Der durchgängige Aesthetizismus zeigt sich a) in der * goethisierenden Sprache, die der * Autor, aber auch jede seiner Gestalten, in jedem Augenblick in allzu gepflegten Perioden führt. Alles ist darin nicht nur gebändigt, sondern zurechtgemacht, kathederschön, salonschön, literarisch. b) in dem ständigen Unterstreichen u. Ausbreiten der Schönheit u. Stimmungshaftigkeit von Räumen, Innenarchitektur, Toiletten, Gedecken, selbst von den farbigen Zusamenklängen des kalten Aufschnitts. ( * Zolas Markthalle 1 ist Leben, der Soupertisch Walters u. Claudias: Artistik) c) in dem Übermaß von Musikgerede. Man kann über Musik rein technisch-theoretisch sprechen, u man kann in ihren Gefühlswerten schwelgen, aber das geheimnisvolle Gemengel aus Schwärmerei u. Theorie, das metaphorische Psychologie mit ihr treibt, ist m. E. Aesthetentum. – – Den übersteigerten Intellektualismus finde ich vor allem in

Weitere Kostenlose Bücher