Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
Vom Netzwerk:
die Moral der Sache hinweisen. Diese Stücke sind in wortwörtlicher Übertragung zur dichterischen Gestaltung * Albrecht Schaeffer überwiesen worden. Mag sein, daß sie schon im Urtext pretiös u. schwer zu enträtseln sind. Aber was Sch. daraus gemacht hat, ist ein buchstäblich unaussprechlicher Mist. Zungenzerbrechend, dunkel bis zur absoluten Unverständlichkeit, unrhythmisch u. verrenkt. Jedesmal, wenn man von der Erzählung gefaßt worden, wird man durch diese Versgräulichkeit wieder herausgerissen. –
    Das Buch ist ein richtiges, im Grunde internationales Volksbuch, Abenteuer- u. Liebesroman, ohne psycholog. Tiefe, das ebensogut noch weitere 350 S. ausgesponnen werden könnte. Edeljaspis ist der edle junge Ritter, der die Unschuld schützt u. Gefahren besteht u. eine große Liebe im Herzen trägt. Erst befreit er die Braut eines armen Teufels, die der Raubgraf entführt hat, danach setzt er sich für die verfolgte Edeljaspis 3 ein, die er vom ersten Blick an liebt. Er gerät in viele Gefahren, soll u. a vergiftet werden, besteht alle, ist nicht nur tapfer, edel u. rein, sondern auch klug. Aber Eisherz das blutjunge auf sich allein angewiesene Mädchen – die Mutter tot, der Vater im Exil – ist noch 100 x klüger, ist gebildet, weise, energisch u. vor allem polymhtis. 4 Ein bösartiger Mann, der junge Kuo, will sie durchaus, bald mit List, bald mit Gewalt, zu seiner Frau machen, will den lästigen Ej. verderben, u. alle Anschläge scheitern an Eh s überlegener Schlauheit u. List. Bis sich das Paar endlich vereint u. der Bösewicht gestraft ist u. alles sein happy end hat, was wiegesagt ebenso gut viel früher als auch viel später eintreten könnte, denn Abenteuer reiht sich an Abenteuer u. List an List, ohne daß sich die einmal gegebenen Charaktere ändern. Auch in den Gefahren u. ihren Überstehungen handelt es sich mehr um Varianten als um jedesmal Neues. Ej. soll verprügelt, er soll vergiftet, er soll vor Gericht gezogen werden, Eh soll immer wieder entführt, geraubt, durch Urteilsspruch zur Ehe gezwungen werden. –
    Zu beachten an dieser Kette von Kindlichkeiten ist nun 1) die ungeheure Hochschätzung nicht nur des Intellekts – Scharfsinn steht in gleichem Preis wie Heldentum –, sondern auch der List . Das Mädchen überlistet wieder u. wieder [ u. ] ihre listigen Gegner. Hier hat liegt für mich die LTI = Bedeutung: List ist überall eine Tugend im Volksdenken: nicht nur im AT. (Die geschälten Stäbe 5 ), sondern auch bei den arischen Griechen ( * Odysseus) u. nun hier bei den Chinesen. – List u. Scharfsinn werden so hochgeschätzt, daß sie der Idealfrau zugeschrieben werden, obwohl doch die Frau als untergeordnetes Wesen gilt. Freilich ist Edel Eisherz auch sonst als absolute Ausnahme behandelt: sie ist gelehrt, u. sie ist so tugendhaft, daß sie einmal gegen die Sitte verstößt (unter Berufung auf einen Weisen!), indem sie den gif vergifteten Geliebten zur Pflege in ihr Haus schaffen läßt, trotzdem sie darin allein, ohne männlichen Schutz lebt. Dann aber zeigt sie sich der Sitte über alles Maß hinaus ergeben, u. ebenso verhält sich Ej. Beide lieben sich u. sollen kurz vor dem eigentlichen happy end durch den Willen ihrer Väter rite 6 verheiratet werden: sie weigern sich die Ehe wirklich zu vollziehen, weil sie sich vorher schon gesehen haben. Es muß erst ein neues Ereignis eintreten, um sie wirklich zu vereinigen. 2) Das allgemeine des Abenteuerromans vom edlen Ritter u. der edlen Geliebten ist hier ganz und gar ins anschaulichste chinesische Leben eingetaucht. Die Väter der Liebenden u. ihres Gegenspielers sind höchste kaiserliche Beamte, man lernt Gerichtsverhandlungen, Gastmähler, Schätzung der Gelehrten, Verlobungs- u. Hochzeitsriten, Ceremoniell u. Brauch kennen. Aus den Worten u. Verhaltungen Ej s u. Eh s erfährt man Grundsätze der chinesischen Moral; aus dem Verhalten der Beamten, des Publikums, auch aus Ej s u. Eh s Verhalten der Regierung in all ihren Formen gegenüber, sieht man wieder u. wieder, wieviel Corruption, Willkür u. Nepotismus durchweg herrscht u. als etwas absolut Selbstverständliches in Kauf genomen wird. – – Ich frage mich danach, wo eigentlich die immer wieder auftauchende, auch heute vorhandene, Hochachtung vor der Moral der Chinesen herstamt? – Auffallend an diesem Buch ist die ungeheure Sinnlichkeit der Chinesen. (Deßhalb die strenge Trennung von Mann u. Frau). Sinnlichkeit im Erotischen, im Essen u. Trinken. Trinksitte wird

Weitere Kostenlose Bücher