Klemperer, Viktor
Geschichte. Sie passt ausgezeichnet zum Schicksalsglauben Napoleons. ( * Hitler sagt Vorsehung) Der Held ist Napoleon, der Falke das Nicht-fragen.
– Wir hatten ein paar Schneetage, heute kam Tau. Ich notiere das Wetter, weil ich mir von ihm Einfluß auf den Kriegsablauf erwarte. Aber es ändert sich wenig, im Westen wie im Osten.
Es fehlt mir jetzt häufig an Lektüre zu meinem Thema, ich muß nehmen, was sich findet. Im Augenblick lese ich für mich * Tolstojs Kindererinnerungen, 1 u. lese einen chinesischen Roman vor. Aber heute hat mir * E. einen Band * Pleyer 2 mitgebracht.
Sonntag Vorm. 14. Januar 45.
Wieder scharfer Frost, noch um 9 h: 9°. Und am Morgen erzählte * Frau St. u. gab uns die Zeitung, Heeresbericht vom 13/I., daß der russische Groß angriff an der Weichsel begonnen habe u. auch in der Romintener Heide zu beginnen scheine. Damit ist zum erstenmal seit einem Monat, seit dem Beginn der deutschen Westoffensive, wieder Hoffnung auf ein absehbares Ende gegeben.
Gestern ohne auszugehen fast den ganzen Tag gelesen u. vorgelesen; Russe u. China notizbereit. Am Nachm. war * Steinitz nur kurze Zeit hier. Er hatte irgendwo vom Tod eines Romanisten gelesen, Prof. * Mulert in Halle. 3 Ich mußte mich eine Weile besinnen. Der Mann, sehr viel jünger als ich, * Voretzschschüler 4 u. = erbe, aus der doppelt geistverlassenen Richtung der Afrz.-Pauker u. Spanienleute. Irgendwann habe ich ihn um sein frühes Ordinariat sicher einmal beneidet. Jetzt – Hurra ich lebe! Und vielleicht soll mein LTI-Buch länger leben als Mulerts u. meine Romanistica zusammengenommen. Vielleicht. Als Steinitz gehen wollte, mochte er sich von mir nicht in den Mantel helfen lassen. Ich breitete den Mantel aus u. spielte mit St. Torero. * E. lachte, ich hopste, u. dann merkte ich, daß das Herz nicht mehr mitspielte. Auch ist heute klares Wetter, u. wir haben eine ganze Woche keinen Alarm gehabt. Also nur – vielleicht.
Jeder Tag predigt aufs neue, daß dieser Krieg für das 3. Reich wirklich der jüdische Krieg ist, daß ihn niemand centraler u. tragischer erleben kann als der in Deutschland festgehaltene u. seiner Erziehung, Bildung u. Empfindung nach wirklich deutsche Sternjude, jeder Tag also bestätigt mich in meiner Arbeit. Ich sehe sie neuerdings als einen Doppelband unter dem gemeinsamen LTI-Titel vor mir. Band oder Buch I das Tagebuch 1933–? B II die philologischen Studien, Skizzen, Probleme. Auf solche Weise könnte das Opus dann Schrittmacher für das gesamte Curriculum werden. Uns fehlt nur Zeit, 5 heißt es, glaube ich, bei * Dehmel.
Zum jüdischen Krieg. Dr. Ztg. vom 12. I. hat ein Artikelchen aus Stockholm über die geplante ‹Umerziehung› der deutschen Jugend (zu der es natürlich nie kommen werde, da Deutschland Sieger bleibe). Es erscheine schon im April eine 5bändige Weltgeschichte, es sei eine Serie von 6 deutschen Lesebüchern in Vorbereitung u. werde in Massenauflage herauskommen, Autoren seien ausnahmslos Juden, fast alle aus Deutschland emigriert. Überschrift des Artikels: Geschichte, von Juden verfälscht (Aber * Bouhlers Lesebuch verfälscht nicht!!). Dr. Ztg. vom 11/I. Artikel: Die richtige Sprache. Churchill auf hebräisch. * Churchill habe manches Jahr ohne Ministerposten sich mit seinem Füllfederhalter ernährt u. nun werden die ‹Werke› (guillemets moqueurs 6 ) ins Hebräische übertragen. Da sind sie denn freilich am Ort des besten Verständnisses. Man wird sie dort neben Talmud u. Schulchan Aruch 7 einreihen. – Dr. Ztg. von 13./14. I. (Sonntagsblatt) groß aufgemacht: Juden-Lord zahlt riesige Schmiergelder. Ungeheurer Bestechungsskandal um * Henry Melchett-Mond. Chef des größten englischen Chemie-Concerns, Lord, Oberhausmitglied. Der Mann war dazu praedestiniert: Denn Seine Lordschaft ist ja nichts weiter als die Maske vor der Judenfratze des Sohnes von * Alfred Mond, 8 der wegen seines Geldes Sir u. Lord wurde u. der Typ eines jüdischen Emporkömmlings war. Daran knüpft sich das Übliche über das internationale Ziel der Juden, Gewinn durch Korruption u. Kriegsverlängerung.
* Leo Tolstoj: Kindheit. München 1922 O. C. Recht Verlag 165 S.
Wahrscheinlich – nachdem, was mir * Lewinsky, der Ausleihende, sagte, nur ein Teildruck. Aber in sehr gutem Deutsch ( * Katja Lachmann) u. ein wahrhaft klassisches Buch. Ich mag Tolstojs Grundgesinnung nirgends u. so auch hier nicht – aber welch ein Schilderer, in ruhigster, schlichtester, dabei alles ausdrückender Sprache!
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